Eine Gruppe von Bäuerinnen um die Jahrhundertwende sitzt zusammen.

Bäuerinnen – verkannte Heldinnen

Landidylle? Gab es für Frauen praktisch nicht. Sie versorgten Tiere, Garten und den Haushalt, kümmerten sich um Kinder und Großeltern. Und in Kriegs- und Krisenzeiten waren sie es, die Felder bestellten und die Ernährung Tausender sicherten. 

Jahrhundertelang trotzten Bäuerinnen der totalen Überforderung 

Wer an das Leben einer Bäuerin denkt und nicht selbst vom Land kommt, hat oft ein romantisches Bild im Kopf: Es zeigt eine fröhliche und naturverbundene Frau, die Kühe melkt und Brot backt, nach den Hühnern sieht und ihren üppig blühenden Garten pflegt. Jeden Mittag kocht sie für eine große Tischrunde. Und natürlich kümmert sie sich liebevoll um ihre Kinder und die am Hof lebenden Großeltern. Diese Idealvorstellungen vom bäuerlichen Leben sind ungefähr 150 Jahre alt. Seit ihrer Entstehung haben sie sich kaum verändert. Und sie entsprechen – heute wie damals – nur einem kleinen Teil der Wirklichkeit. 

Sie entstanden, als die Städte rasant wuchsen. Der Alltag der Menschen wurde immer schneller und gleichförmiger und die Menschen sehnten sich nach Freiheit, Natur und Ruhe. Gemälde und Bücher, die den Bauernhof als Idylle darstellten, waren beliebt und verkauften sich gut.

Eine eingespielte Aufgabenteilung

Als die ersten Sommerfrischler in die Dörfer des Voralpenlands fuhren, sahen sie dort genau das, was sie sehen wollten: eine friedliche Landidylle, in der das Leben gemächlich seinen Lauf ging. Dass die Bauernfamilien auf engstem Raum zusammenrückten, um überhaupt Zimmer an Urlauber vermieten zu können, nahmen die wenigsten wahr. Und auch sonst sah die Realität gerade für Frauen auf einem Bauernhof ganz anders aus.

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein waren die meisten Tätigkeiten, selbst bei der Ernte, reine Handarbeit. Die Aufgabenteilung war seit Jahrhunderten eingespielt: Der Mann organisierte die Arbeiten außerhalb des Hauses und bestimmte über alles und alle, die auf dem Hof lebten. Die Frau war für den Haushalt und die Versorgung von Kindern und Alten zuständig. Außerdem melkte sie die Kühe, kümmerte sich um die Hühner, baute Gemüse an und stellte die Kleidung her. Selbstverständlich packte sie auch bei der Ernte mit an.
 

Die „Männerarbeit“ kam obendrauf

In Oberbayern und im südlich der Donau gelegenen Niederbayern, wo Bauernhöfe als Ganzes vererbt wurden, lebten in der Hofgemeinschaft Knechte und Mägde mit. Sie halfen bei der vielen Arbeit, mussten aber ebenfalls täglich versorgt werden. So war das Pensum, das die Bäuerin zu bewältigen hatte, meist trotzdem gewaltig. 

In Schwaben und Franken waren die Betriebe wegen anderer Erbregelungen kleiner. Ihre Erträge reichten oft nicht zum Leben aus, so dass sich die Männer außerhalb des Hofs Arbeit suchten. Dann bestellte die Bäuerin gemeinsam mit Kindern und Großeltern die Felder und übernahm weitere „Männerarbeit“. Im Ersten Weltkrieg mussten die Frauen auch auf größeren Höfen die Männerrolle mit übernehmen.  
 

„Das Merkmal, unter dem die Versorgung der Familie mit Nahrung vor sich geht, ist die Eile. Aus Eile kommt die Bäuerin selbst kaum dazu, in Ruhe zu essen. Sie ist die letzte, die sich zu Tische setzt, und oft die erste, die sich wieder erhebt. (…) Diese ihre Rastlosigkeit bringt sie oft um den Erfolg der Nahrungsaufnahme.“

Die Staatswissenschaftlerin Maria Bidlingmaier über die Situation der Bäuerinnen 1918.

Zwar erforschte Maria Bidlingmaier die Situation von Landfrauen in Württemberg. Doch die Zeitnot bayerischer Bäuerinnen war vergleichbar. Anna Wimschneider beschrieb in ihrem Buch „Herbstmilch“, wie sie nach dem Tod der Mutter schon als Achtjährige den Haushalt für ihre neunköpfige Familie führen musste. 1939 heiratete sie in einen anderen Hof ein. Doch mit Kriegsbeginn war sie wieder auf sich allein gestellt. Nun musste sie nicht nur den Haushalt erledigen und alte Verwandte pflegen, sondern auch pflügen, säen und ernten. Und das alles ohne Maschinen.

Die Mechanisierung der Landwirtschaft steckte noch in den Kinderschuhen. Mehr als ein Drittel der Höfe hatte 1938/39 noch nicht einmal eine Wasserleitung. Dennoch riefen die Nationalsozialisten 1934 die „Erzeugungsschlacht“ aus: Die landwirtschaftlichen Erträge sollten deutlich steigen. Bäuerinnen wurde nahegelegt, Seife zu kochen, Flachs zu verarbeiten und Schafe zu halten. Die Machthaber hielten erst inne, als ab 1936 wegen der Überforderung die Zahl der Fehlgeburten massiv anstieg.

Der lange Weg zur guten Ausbildung

Für greifbare Erleichterungen aber sorgten die Nazis nicht: Als „technische Hilfsmittel für Küche und Haus“ empfahlen sie so banale Dinge wie Küchenschemel. Verpflichtende Landdienste für Jugendliche und junge Erwachsene brachten ebenfalls wenig tatsächliche Unterstützung.

Auch eine flächendeckende Bäuerinnen-Ausbildung gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum. Ab 1880 wurden zwar einige Landwirtschaftliche Haushaltungsschulen ins Leben gerufen. Doch der Unterricht war vor allem für Töchter aus großbäuerlichen Familien gedacht. Und die 1909 gegründete „Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Lande“ in Miesbach hatte Bürgerstöchter im Blick. Allerdings gehörten zur Schule auch Wanderlehrerinnen, die in den Wintermonaten Koch-, Näh- oder Haushaltungskurse anboten. 

In den 1920er Jahren wurde der durchgehende Schulbetrieb stärker auf die Bedürfnisse künftiger Bäuerinnen zugeschnitten. Doch erst in den 1950er Jahren entstanden Ausbildungsstätten, die sowohl Fachliches als auch eine umfassende Persönlichkeitsbildung in den Blick nahmen.  
 

Museumstipp

Zwei Freilichtmuseen in Niederbayern vermitteln eindrücklich, wie unterschiedlich in verschiedenen Regionen gewirtschaftet wurde: Massing beleuchtet das bäuerliche Leben im Rottal, das von stattlichen Vierseithöfen geprägt ist. Finsterau entführt in die karge Welt der „Waldler“, der abgeschiedenen Kleinbauern im Bayerischen Wald.

Weitere Infos zu den Freilichtmuseen finden Sie hier

Quellen- und Literaturhinweise

Braun, Annegret: Frauen auf dem Land. München, 2010 

Habel, Eva: Frauenarbeit – das vergessene Fundament der Geschichte: Auf Hof und Feld. In: von Specht, Agnete: Geschichte der Frauen in Bayern. Katalog zur Landesausstellung 1998 des Hauses der Bayerischen Geschichte. Augsburg, 1998

Jacobeit, Sigrid: „…dem Mann Gehilfin und Knecht. Sie ist Magd und Mutter …“ Klein- und Mittelbäuerinnen im faschistischen Deutschland. In: Werkmeister, Johanna (Hrsg.): Land – Frauen – Alltag. Hundert Jahre Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen im Ländlichen Raum. Marburg, 1989. S. 66-90

Ortmeier, Martin: Seinerzeit auf dem Land. Alte Bilder von Frauenalltag und Männerwelt in Ostbaiern. Regenstauf, 2018

Wohlfahrt, Katharina: Emanzipation durch Hauswirtschaft – Die Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Lande in Miesbach (1902 – 1939). St. Ottilien, 2022