Die Frauenbewegung in Bayern
Bayerische Frauenrechtlerinnen haben viel erreicht. Sie schufen Arbeitsplätze, halfen bei sozialen Problemen und kämpften für Bildung und das Wahlrecht. So verbesserten sie das Leben vieler Menschen.
Schritt für Schritt zu gleichen Rechten
Die Idee, dass für Männer und Frauen gleiche Rechte gelten könnten, entstand während der Französischen Revolution. In England und Frankreich wurde sie seitdem immer wieder aufgegriffen. In Deutschland dagegen blieben ähnliche Bewegungen fast das ganze 19. Jahrhundert über erfolglos. Vorsorglich wurde Frauen ab 1850 sogar verboten, Zeitungen herauszugeben. Außerdem erlaubte es das Vereins- und Versammlungsrecht unter anderem in Bayern nicht, dass „Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge“ an politischen Versammlungen teilnahmen.
Ganz unterdrücken ließ sich das Aufbegehren der Frauen gegen ihre Rechtlosigkeit dennoch nicht: In den aufstrebenden Industrieregionen entstanden ab etwa 1860 Zusammenschlüsse von Arbeiterinnen und Allgemeine Frauenvereine. In den Städten wuchs der Wunsch nach Gleichberechtigung. Auf dem Land und in den katholisch geprägten Regionen Bayerns blieben die traditionellen Rollenbilder jedoch lange bestehen.
Die Ehe als einzige Lebensperspektive
Frauen besuchten allenfalls bis zum 15. Lebensjahr die Schule. Adelige und Bürgerstöchter wurden danach auf ihre Rolle als Ehefrau vorbereitet. Eine andere Perspektive war nicht vorgesehen. Mädchen aus ärmeren Familien konnten oft nicht einmal heiraten. Sie mussten sich zumeist eine Arbeit als Magd oder Dienstbotin suchen. Gelang das nicht, war der Weg in die Armut vorgezeichnet. Im Bemühen, solchen Frauen gezielt zu helfen, entstanden ab 1850 die ersten Initiativen der bayerischen Frauenbewegung. Pionierinnen wie Julie von Zerzog und Mathilde Jörres gründeten Strickschulen und Stickinstitute, damit Frauen in Not mit handwerklichen Fähigkeiten selbst Geld verdienen konnten.
Der Kampf um Frauenrechte nahm erst ab 1886 Fahrt auf, als Anita Augspurg und ihre Partnerin Sophia Goudstikker nach München zogen. Dort gründeten sie ihr eigenes Fotostudio, das Atelier Elvira. Es entwickelte sich schnell zu einem Treffpunkt für Künstler und Vordenker beider Geschlechter und wurde zum ersten bedeutenden Zentrum der Frauenbewegung in Bayern.
„Geistige Interessen“ und soziale Probleme
1894 riefen Anita Augspurg, Sophia Goudstikker und weitere Gleichgesinnte in München die „Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frau“ ins Leben. Der Name war gezielt unpolitisch gewählt, um nicht gegen das Vereinsrecht zu verstoßen. Doch die Mitglieder hatten Großes vor: Sie wollten Gymnasien für Mädchen gründen und die Zulassung an den Universitäten erwirken. Vor allem aber wollten sie möglichst viele Menschen für die Frauenbewegung begeistern.
Jenseits der Stadtgrenzen konnten diese Ideen allerdings kaum Fuß fassen. Deshalb rüsteten sich die Münchner Aktivistinnen, sobald eine Gesetzesänderung dies möglich machte, für eine Großveranstaltung: Im Oktober 1899 luden sie zum Ersten Bayerischen Frauentag. Zu der viertägigen Veranstaltung kamen Frauenvertreterinnen aus 14 anderen bayerischen Städten. Das Programm behandelte nicht nur Frauenrechte, sondern auch viele drängende soziale Probleme – von der Versorgung unehelicher Kinder bis zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Kellnerinnen.
„Es lebe die Freiheit, es lebt, wer gewann / Im Kampfe den Sieg, im Siege den Mann!/ Und ist er besiegt, so ist er uns Knecht,/ Wir schaffen uns selber unser Recht.“ Aus dem Festspiel „Culturbilder“ der Schriftstellerin Marie Haushofer, das 1899 den Ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentag abschloss.
Aus dem Festspiel „Culturbilder“ der Schriftstellerin Marie Haushofer, das 1899 den Ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentag abschloss.
Diese ganz praktische Hilfe blieb bis nach dem Ersten Weltkrieg ein zentrales Anliegen der Frauenbewegung. Ab 1900 begann sie sich jedoch zu spalten. Zwar verfolgten alle dieselben Ziele: Frauen sollten die gleichen Bildungschancen, beruflichen Möglichkeiten und Rechte erhalten wie Männer. Doch über den Weg dorthin gab es unterschiedliche Meinungen. Der radikale Flügel, dem unter anderen Anita Augspurg angehörte, wollte so schnell wie möglich die Gleichstellung vor dem Gesetz, vor allem das Wahlrecht. Der bürgerliche Flügel dagegen wollte erst mit sozialen Projekten und gezielter beruflicher Förderung beweisen, dass Frauen im Stande waren, genauso viel zu leisten wie Männer und deshalb das Wahlrecht erhalten sollten. Besonders Helene von Forster aus Nürnberg oder Bertha Scheiding aus Hof – beide Ehefrauen von Ärzten – zeigten, wie viel sich aus der gesellschaftlichen Mitte heraus bewegen ließ, ohne auf direkten Konfrontationskurs zu gehen.
Bildung, Wahlrecht und berufliche Gleichstellung
Ab 1900 fielen erste Hürden: 1903 wurden die bayerischen Universitäten für Frauen geöffnet. Mädchengymnasien wurden gegründet; 1916 legte in Regensburg der erste Mädchenjahrgang Bayerns das Abitur an einer eigenen Schule ab. Das volle politische Wahlrecht wurde Frauen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 zugesprochen.
Was die rechtliche Situation vor allem verheirateter Frauen betraf, dauerte es mit der Gleichberechtigung wesentlich länger: Erst ab 1958 durften sie in der Bundesrepublik über ihr eigenes Geld verfügen. Und erst 1977 wurde Frauen nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben, dass sie nur dann berufstätig sein durften, wenn dies „mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar“ war. Selbst heute sind, beispielsweise im Hinblick auf eine gleiche Bezahlung von Frauen und Männern, noch Ziele der einstigen Vorkämpferinnen aktuell, die es zu erreichen gilt.
Ausflugstipp
Um zu zeigen, dass die Frauenbewegung auch in gehobenen Gesellschaftsschichten verankert war, wählten die Organisatorinnen für den Ersten Allgemeinen Bayerischen Frauentag glanzvolle Veranstaltungsorte. Einer davon existiert heute noch: das damals frisch gegründete Café Luitpold in der eleganten Münchner Briennerstaße.