Gruppenbild von Lehrerinnen um die Jahrhundertwende.

Die Geschichte der Mädchenbildung in Bayern

Jahrhundertelang bestand Mädchenbildung vor allem als Vorbereitung auf die Aufgaben einer Mutter und Ehefrau. Menschen mit Visionen versuchten immer wieder, dies zu ändern. Die Ursprünge bayerischer Mädchenschulen reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück. Doch bis Mädchen wirklich gleiche Bildungschancen bekamen wie Jungen, sollten mehr als 1200 Jahre ins Land gehen.

Lesen, Schreiben, Handarbeiten 

Kitzingen, Polling, Kochel, Frauenchiemsee: Dort wurden nicht nur einige der ersten Frauenklöster Bayerns gegründet. Hier fand im 8. Jahrhundert auch der erste Schulunterricht für Mädchen statt. Dessen Ziel war jedoch weniger die Bildung der weiblichen Bevölkerung, sondern die Ausbildung des klösterlichen Nachwuchses. Adelige Eltern fanden das Prinzip Klosterschule bald auch für Töchter attraktiv, die nicht dauerhaft in einen Orden eintreten sollten. Die Mädchen lebten einige Jahre bei den Nonnen und lernten Schreiben, Lesen, Rechnen und Latein. Der Unterricht war kostenlos, für Unterbringung und Verpflegung erhoben die Klöster eine Gebühr. Im 12. und 13. Jahrhundert, der großen Zeit des Rittertums, gab es auch jenseits der Klöster erste Erziehungsstätten für adelige Mädchen: Ihren Lese-, Schreib- und Sprachkenntnissen wurde sogar eine größere Bedeutung beigemessen als bei Edelknaben. Für  Mädchen – und Jungen – aus dem bäuerlichen Stand gab es einen solchen Wissenskanon nicht. Deren Bildung gehörte zu den Aufgaben des Gemeindepfarrers. Doch das meiste lernten Bauernkinder durch ihr unmittelbares Umfeld.  

Eine Engländerin mit kühnen Ideen

Über viele Jahrhunderte hinweg blieben Klöster, was die höhere Bildung von Mädchen betraf, die einzige tragende Säule. Zwar kamen etwa ab 1500 sogenannte „Winkelschulen“ auf, in denen Kindern gegen Schulgeld das Allernötigste beigebracht wurde. Konzepte für eine weiterführende Bildung entstanden – durch  Jesuiten – aber zunächst nur für Jungen. Die englische Adelige und Ordensschwester Maria Ward entwickelte 1614/15 einen ähnlich breiten „Institutsplan“ für Mädchen. Zu diesem Zeitpunkt war sie mit einigen Gleichgesinnten bereits aus England geflohen, da Katholiken dort aufgrund von Glaubensauseinandersetzungen einen schweren Stand hatten. Die „Englischen Fräulein“ gründeten in Nordfrankreich, Belgien und Italien erste Schulen. Mit Unterstützung des bayerischen Kurfürsten Maximilian I. eröffneten sie 1627 auch ein Mädchenpensionat in München – als erster von insgesamt vier weiblichen Lehrorden, die in Bayern tätig wurden. Die Schülerinnen dieser Pensionate waren Töchter von Adeligen und Beamten. Bürgertöchtern vermittelten „äußere“ Mädchenschulen, die vielen Klöstern angeschlossen waren, grundlegende Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen.

Der Staat greift ein

Im späteren 18. Jahrhundert begann sich der Anspruch vor allem an die höhere Mädchenbildung zu wandeln. Der Staat unternahm mehrere Anläufe, das Bildungswesen stärker an sich zu ziehen und griff auch in das Wirken der von ihm geförderten Lehrorden ein. Das traf vor allem die „Englischen Fräulein“ hart, die eine sehr breiten Fächerkanon unterrichteten. Doch das Erziehungsziel, das dem Staat besonders für höhere Töchter vorschwebte, hatte mit tiefem Wissen nicht viel zu tun. Mädchen sollten vor allem dazu erzogen werden, künftigen Staatsdienern gute Ehefrauen und Mütter zu sein. Schulreformer hatten darüber hinaus im Blick, dass unverheiratete Frauen und Witwen Gefahr liefen, zu verarmen. Deshalb drangen sie auf Handarbeitsunterricht. Er sollte Mädchen und Frauen ein Stück weit befähigen, selbst Geld zu verdienen. Diese neue Ausrichtung trug zur vollständigen Trennung von Mädchen- und Jungenschulen bei – und zu einem weiteren Problem: Es fehlte hier wie dort an qualifiziertem Lehrpersonal.  

„(Es ist unbegreiflich und unverantwortlich), dass, nachdem alle europäischen Staaten so große und beinahe unermessliche Geldsummen auf Schulen für die männliche Jugend verwenden, noch keine einzige wahre, öffentliche, vom Staate auf seine Kosten unterhaltene Mädchenschule irgendwo anzutreffen sei.“

Aus dem Mädchenschulplan, den der Pädagoge Johann Georg Silberbauer 1792 der bayerischen Regierung vorlegte

Für Jungenschulen wurden schon im frühen 19. Jahrhundert rasch Strukturen und finanzielle Mittel bereitgestellt, um das System zu reformieren und gut ausgebildete Lehrer bereitzustellen. Das „höhere Mädchenschulwesen“ dagegen dümpelte ein ganzes Jahrhundert vor sich hin: Adelige und bürgerliche Töchter wurden nach Abschluss der Volksschule mit ca. 13 bzw.14 Jahren auf Pensionate geschickt, in denen sie lernten, sich ihrem Stand gemäß zu benehmen und in mehreren Sprachen klug zu unterhalten. Ihr von der Gesellschaft aufgezeigtes Lebensziel war die Rolle der Ehefrau und Mutter. Die einzige Chance auf eine fundiertere, weiterführende Bildung – und auf eine eigenständige Berufstätigkeit – lag für sie darin, sich zur Lehrerin ausbilden zu lassen. Entschieden sie sich nach dem Seminar für eine solche Laufbahn, machten sie jedoch ihre Aussichten auf eine Ehe praktisch zunichte: Wenn eine Lehrerin heiratete, verlor sie nicht nur sofort ihre Stelle, sondern auch sämtliche Pensionsansprüche, die sie sich durch ihre Tätigkeit erworben hatte.

Von der Handelsschule bis zur Uni

Dabei hätten bürgerliche Frauen berufliche Perspektiven dringend gebraucht. Ein Frauenüberschuss in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bewirkte, dass nur etwa vier von zehn höheren Töchtern heiraten konnten. Die anderen waren auf die Eltern, ein Erbe oder einen männlichen Verwandten angewiesen oder drohten zu verarmen. Genau dieses Problem hatten der Likörfabrikant Anton Riemerschmid und sein Prokurist Matthias Reischle im Blick, als sie 1862 in München die deutschlandweit erste Handelsschule für Mädchen gründeten. Die bis heute bestehende Einrichtung eröffnete jungen Frauen ein völlig neues Berufsfeld. Kurz nach 1900 kam es, vor allem auf Betreiben der Frauenbewegung, zu weiteren Fortschritten: Ab 1903 durften Frauen an bayerischen Universitäten studieren. Ab etwa 1910 wurden die ersten Mädchengymnasien gegründet. Die ersten an einem Gymnasium ausgebildeten Abiturientinnen Bayerns legten 1916 bei den Englischen Fräulein in Regensburg die Reifeprüfung ab. Dennoch sollte es noch bis in die 1970er Jahre dauern, bis sich Mädchen- und Jungenbildung in Bayern völlig angeglichen hatte.

Besichtigungstipp

Eine der traditionsreichsten Mädchenschulen Bayerns ist die Maria-Ward-Realschule in Burghausen. 1683 ließen sich die ersten sieben Englischen Fräulein in Burghausen nieder und eröffneten eine Klosterschule. Wenige Jahrzehnte später wurden auch eine Volksschule und ein Pensionat eingerichtet. Die zur Schule gehörenden, prunkvollen Gebäude am Burghausener Stadtplatz mit der Schutzengelkirche wurden ab den 1730er Jahren errichtet.

Weitere Infos zu Burghausen finden Sie hier

Quellen- und Literaturhinweise

Fleischer-Schumann, Jürgen: Einblicke in die Münchner Schulgeschichte vom Mittelalter bis zum Beginn der Industriezeit. München, 2011

Gilch, Eva: Eine kurze Geschichte der Englischen Fräulein in Burghausen. Vortrag zur Generalversammlung des Heimatvereins. Burghausen, 2018

Knauer, Christl: Frauen unter dem Einfluss von Kirche und Staat. Höhere Mädchenschulen und bayerische Bildungspolitik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. München, 1995

Lippert, Heinrich: Wanderlehrer und Winkelschulen: im Gebiet des ehemaligen Fürstbistums Passau. Riedlhütte, 2024

Staatliche Archive Bayerns (Hrsg.): Die Englischen Fräulein und das Mädchenabitur. München, 2016.
Teibler, Claudia: Die bayerischen Suffragetten. München, 2022