Widerstand gegen das NS-Regime
Ab 1933 standen viele hinter dem Unrechtsregime Adolf Hitlers oder behielten kritische Ansichten vorsichtshalber für sich. Doch es gab auch Mutige, die zum Widerstand aufriefen oder Verfolgten halfen, darunter zahlreiche Frauen.
Trotz aller Gefahren
Der große Aufschrei blieb aus. Die breite Mehrheit der Bevölkerung protestierte nicht, als Adolf Hitler 1933 an die Macht kam und innerhalb weniger Wochen die Demokratie aushebelte. Sie schwieg, als 1938 die Synagogen brannten, jüdische Besitztümer mutwillig zerstört und Juden gedemütigt, misshandelt und verschleppt wurden. Sie lehnte sich auch nicht auf, als 1943 in der Schlacht von Stalingrad an die 200.000 Deutsche fielen oder in Gefangenschaft gerieten. Trotzdem gab es während der gesamten Zeitspanne des Dritten Reichs Inseln des Widerstands und der Ablehnung. Gruppen und Einzelpersonen arbeiteten auf einen Sturz des Regimes hin, halfen Verfolgten oder widersetzten sich zumindest Vorschriften und Anordnungen. Zwar begann die Geschichtsforschung schon bald nach 1945, sich gezielt mit dem Widerstand während der NS-Zeit zu beschäftigen. Abgesehen von herausragenden Persönlichkeiten wie Sophie Scholl aber rückten viele weitere Frauen, die sich unter großen Risiken dem Regime entgegengestellt hatten, erst seit etwa 25 Jahren ins Blickfeld.
Kampf aus dem Untergrund
Die Hintergründe, aus denen heraus sich diese Frauen den Machthabern widersetzten, war vielfältig: Links orientierte Politikerinnen wie die SPD-Reichstagsabgeordnete Toni Pfülf versuchten gleich nach der Machtübernahme Adolf Hitlers, Menschen in ihren Wahlkreisen zu Protestaktionen aufzurufen. Oder sie unterstützten die Arbeit ihrer nun verbotenen Parteien aus dem Untergrund heraus, wie Kunigunde Schwab und Lotte Branz. Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums, in sehr konservativen Kreisen, gab es Frauen, die sich schon früh engagierten. Die Münchner Bildhauerin Margarete Freiin von Stengel etwa hatte sich in den 1920er Jahren einer Gruppe angeschlossen, die Bayern wieder zu einem Königreich machen wollte. Ab dem Frühjahr 1933 organisierte sie Treffen gleichgesinnter NS-Gegner und wurde ab 1935 mehrfach inhaftiert.
Viele weitere stellten sich zwar nicht vollends gegen das Regime, verweigerten sich aber trotzdem in Teilbereichen, beispielsweise in dem sie Veranstaltungen fernblieben oder weiter in jüdischen Geschäften einkauften. Auch solche Handlungen wurden unter immer schärfere Strafen gestellt.
Mitmenschlichkeit angesichts von Unrecht
Trotz drohender Strafen gab es immer wieder Frauen, die ihrer Mitmenschlichkeit und ihrem natürlichen Rechtsempfinden folgten. Die Tirschenreutherin Mathilde Kraus zum Beispiel sprang während der Reichspogromnacht 1938 als wohl einzige Protestierende im weiten Umkreis ihren jüdischen Nachbarn bei. Sie forderte zwei Polizisten – vergeblich – auf, zu verhindern, dass die Geschäftseinrichtung der jüdischen Familie zerstört wurde. Im Umfeld des Konzentrationslagers Dachau schmuggelten beherzte Frauen Lebensmittel, Medikamente und Briefe ins Lager. Die erst 17-jährige Fotolaborantin Maria Seidenberger fertigte heimlich Abzüge von belastenden Aufnahmen aus dem Lagerinneren an und setzte dafür ihr Leben aufs Spiel. Und die als Krankenpflegerin tätige Klosterschwester Patrona Schwaiger versorgte in Hahnbach – ebenfalls trotz drohender Todesstrafe – Kriegsgefangene. Dennoch blieben solche mutigen Taten Einzelbeispiele und konnten kaum weitere Kreise ziehen.
„Manche Sachen macht man, oder man macht sie nicht.“
Maria Seidenberger, die 1944/45 KZ-Inhaftierte in Dachau unterstützte und heimlich deren Fotos entwickelte
1940/41 jedoch gab es auch breiteren Protest: Als die Nationalsozialisten Klöster beschlagnahmten und die Kreuze aus den Klassenzimmern entfernen wollten, gingen in allen katholischen Regionen Bayerns Menschen auf die Straße. Da zu dieser Zeit schon viele Männer als Soldaten an der Front standen, waren es vor allem Frauen, die ihre Ablehnung deutlich machten. Im unterfränkischen Münsterschwarzach wurden fast 500 Personen gezählt, die sich gegen die Schließung der Abtei auflehnten.
Manche dieser Proteste hatten sogar Erfolg: Das Kloster der Englischen Fräulein in Eichstätt und die Beschlagnahmung des Kapuzinerklosters in Vilsbiburg konnten verhindert werden. Und den Erlass zur Entfernung der Schulkreuze musste der Kultusminister zurücknehmen. Dennoch blieb größerer, regional übergreifender Protest die Ausnahme. Das macht noch deutlicher, wie mutig die Gruppen und Einzelpersonen waren, die trotz drohender Haft- und Todesstrafen handelten.
Aufstände kurz vor Kriegsende
Spätestens mit der Jahreswende 1944/45 begann jedoch angesichts der näher rückenden Kriegsfronten der Rückhalt des Regimes in der Bevölkerung zu bröckeln. Die Machthaber reagierten, in dem sie unbedingten Willen zum Durchhalten forderten und selbst für kleinste Verstöße drastische Strafen verhängten.
Am größten Aufstandsversuch im Frühjahr 1945 durch die Freiheitsaktion Bayern waren mehrheitlich Männer beteiligt. Doch auch viele Frauen wollten die sinnlose Gefährdung von Menschenleben nicht mehr hinnehmen. In Windsheim demonstrierten am 12. April an die 300 Frauen für eine friedliche Übergabe der Stadt. Eine der Protestierenden, die Fabrikantenehefrau Christine Schmotzer, wurde tags darauf erschossen und ihre Leiche mahnend zur Schau gestellt. Zwei Tage später traf die US-Armee ein. Am 22. April trat die vierfache Mutter Johanna Henriette Vogl in Kropfersricht bei Sulzbach-Rosenberg einem Wehrmachtsleutnant entgegen, der den Weiler verteidigen wollte. Die Nachricht, dass bereits amerikanische Panzer anrollten, rettete sie vor der Erschießung. Mit dem Eintreffen der US-Armee hatte sie – wie auch alle anderen, die sich gegen das Regime gewandt hatten – nichts mehr zu befürchten.
Lektüretipp
Eine Fülle an online abrufbaren Angeboten, Biographien und Schriften bietet die Website der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Der herunterladbare Katalog zur Ausstellung „Tod den Nazi-Verbrechern!“ von 2020 beispielsweise zeichnet den Weg des Widerstands gegen das NS-Regime gerade in den letzten Kriegswochen nach. Beleuchtet werden auch sechs Schauplätze in Bayern.
Hier gelangen Sie zum Katalog `Widerstand am Kriegsende´
Hier gelangen Sie zur Website der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
Quellen- und Literaturhinweise
Broszat, Martin, Fröhlich, Elke: Alltag und Widerstand – Bayern im Nationalsozialismus. München, 1987
Haerendel, Ulrike, Kraus, Elisabeth: zwischen Zustimmung und Widerstand: Münchens Bevölkerung und der Nationalsozialismus. In: Bauer, Richard, Hockerts, Hans Günter u.a. (Hrsg.): München – „Hauptstadt der Bewegung“. Neuauflage, München, 2002
Straub, Theodor: Widerstand und Verfolgung am Beispiel Ingolstadt. In: Ingolstadt im Nationalsozialismus. Dokumentation zur Zeitgeschichte Bd. 1. Ingolstadt, 1995, S. 274 – 305
Zarusky, Jürgen: Widerstand und Regimeloyalität. In: Nerdinger, Winfried (Hrsg.): München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München. München, 2015