Porträtfoto: Andrea Fürstberger in Einsatzjacke und Helm in einem Feuerwehrfahrzeug.

Brennend engagiert

Zum Glück trägt Feuerwehrfrau Andrea Fürstberger einen Helm. Den braucht sie nicht nur, wenn sie im Einsatz Menschenleben rettet. Sondern auch, wenn sie als ambitionierte Frau bei der Feuerwehr mal wieder auf Mauern aus Vorurteilen stößt. Dass Frauen bei der Feuerwehr einsteigen können, lebt sie seit 30 Jahren vor. Dass Frauen auch aufsteigen wollen (und das Zeug dazu haben), vermittelt sie als Landesfrauenbeauftragte auch den Männergremien bei der Feuerwehr. Aber lesen Sie selbst ... 

Andrea Fürstberger, Feuerwehrfrau 

Andrea Fürstberger aus dem niederbayerischen Falkenberg war „schon immer burschikos“, wie sie sagt, behauptete sich auf dem elterlichen Bauernhof als Mädchen neben ihren beiden Brüdern. Ende der 80er-Jahre entschied sie sich für die Ausbildung in einem „Männerberuf“ und wurde Bauzeichnerin. Weil sie gerne zu Ende bringt, was sie begonnen hat, zeichnete sie im Architekturbüro nicht nur die Projekte, sondern schnupperte immer tiefer in die Bauleitung hinein, wurde schließlich Bauleiterin. Wenn sie sich daheim kundig mit Handwerkern austauschte, lobten sie sie schon mal herablassend: „Das ist ja schön, wenn die Hausfrau weiß, wo der Schraubenzieher liegt.“ Und auf der Baustelle fragten die Maurer, wo sie denn den Chef gelassen habe. 

 „Noch schräger beäugt wurde ich“, erzählt Andrea Fürstberger, „als ich 1993 unserer Freiwilligen Feuerwehr beitrat, als erste Frau aller acht Feuerwehren im Brandbezirk.“ Härter als jeder Mann musste sie sich behaupten, um in dieser Männerwelt Anerkennung und Einfluss zu erringen. Als Frauenbeauftragte beim Landesfeuerwehrverband Bayern ist ihre Mission: Frauen fürs Ehrenamt in der Freiwilligen Feuerwehr begeistern und ihnen den Einstieg und Aufstieg erleichtern. Das bedeutet viel Motivationsarbeit, nach außen und nach innen. Und Andrea Fürstberger rückt immer noch aus, wenn in Falkenberg die Sirene schrillt. Als Atemschutzgeräteträgerin dringt sie in verqualmte Gebäude vor, um Menschenleben zu retten.   

Porträtfoto: Andrea Fürstberger in Uniform. Sie steht vor einem Fahrzeug mit dem Logo der Freiwilligen Feuerwehr Falkenberg.

Seit 1993 ist Andrea Fürstberger Feuerwehrfrau, seit 2015 Landesfrauenbeauftragte. 

Für ihre Verdienste überreichte Bayerns Innenminister Andrea Fürstberger 2019 das Steckkreuz, die höchste Auszeichnung der Feuerwehren in Bayern. Sie trägt es an ihrer Uniformjacke, mit Stolz und ganz bewusst. Denn es ist auch ein Signal nach innen, an die Männer in der Feuerwehr, eine Bestätigung, dass Feuerwehrfrauen genauso Herausragendes leisten wie ihre Kollegen. „Es hilft ja nichts, wenn sich Frauen bewerben und dann der Kommandant sagt: Wir brauchen keine Frauen in der Feuerwehr.“ 

Nahaufnahme des Steckkreuzes: ein weißes Kreuz mit roten Flammen; in der Mitte das bayerische Wappen.

An ihrer Uniformjacke trägt Andrea Fürstberger das Steckkreuz: die höchste Auszeichnung für Feuerwehrleute in Bayern. 

Rückblende: „Dann geh halt hin!“ 

Warum wurde Andrea Fürstberger überhaupt Feuerwehrfrau? „Früher war im Dorf aus jedem Haushalt einer bei der Feuerwehr“, erinnert sie sich. „Diese Familientradition ist heute nicht mehr so selbstverständlich. Die Feuerwehr stand schon immer in Konkurrenz zum Sport- und Schützenverein, jetzt wollen die Kinder zum Taekwondo und zum Tennis und die Eltern fahren sie überall hin.“ Andrea Fürstberger wurde als Jugendliche nirgendwo hingefahren, sie wuchs auf einem Bauernhof auf: „Da blieb man halt im Dorf.“ Ihr Vater war bei der Freiwilligen Feuerwehr, einer ihrer Brüder und die Freunde von der Landjugend. Sie selbst nicht, natürlich, denn Feuerwehr: Das war Männersache, Frauen traten nur als Ehrendamen bei feierlichen Anlässen auf. 

Löschen statt losen 

Andrea selbst half bei den Feuerwehrfesten, die Vereinskasse aufzufüllen. Als sie wieder einmal mit dem Bauchladen übers Festgelände zog und Lose verkaufte, ereilte sie so etwas wie eine Sinnkrise. „Was soll das eigentlich, ich bin doch gar nicht bei der Feuerwehr“, beschwerte sie sich bei ihrem Bruder. Der antwortete bloß: „Dann geh halt hin!“ Und Andrea ging prompt hin, zum Kommandanten nämlich, und verkündete ihm, dass sie mitmachen wolle. Der schluckte erstmal und sagte, er müsse die Vorstandschaft fragen. Wochen später, Andrea hatte ihren Vorstoß fast vergessen, kam er auf sie zu: Der Vorstand habe abgestimmt, sie dürfe mitmachen. Jetzt schluckte Andrea und dachte an ihre Mutter, die sagte: „Was du nur immer machst!“ Da nahm sie ihren Mut zusammen. Und machte mit. 

Vorm Spind im Bärchen-Schlafanzug 

Die alten Hasen beäugten sie kritisch, einige Jahre lang. „Aber sie waren schon auch ein bisschen stolz, als sie gemerkt haben, ich nehme das ernst und bewähre mich. Ich habe damals auch extra alles gemacht, jede Herausforderung angenommen, die schweren Geräte geschleppt, auch wenn mir das Kreuz anschließend wehtat.“ Heute muss sich Andrea Fürstberger im Einsatz ihren Kollegen gegenüber nicht mehr beweisen. „Ich sag einem jungen Kollegen auch mal, mach du das, zum Beispiel den schweren Stromerzeuger aus dem Fahrzeug zu heben.“ Nur weil sie vielleicht dickere Armmuskeln haben, fühlen sich ihre männlichen Kollegen längst nicht mehr überlegen. „Schließlich habe ich sie auch schon nachts vorm Spind im Bärchen-Schlafanzug gesehen.“ 

Porträtfoto: Andrea Fürstberger mit Helm und Einsatzjacke in einem Feuerwehrfahrzeug. Sie lacht in die Kamera.

Andrea Fürstberger im Löschfahrzeug: Neben Beruf, Familie und ihrer Tätigkeit als Landesfrauenbeauftragte nimmt die Feuerwehrfrau auch regelmäßig an Übungen und Einsätzen teil.  

Für viel mehr Frauenpower in der Feuerwehr 

Während sie im Einsatz als Leistungsträgerin längst anerkannt ist, muss sie als Funktionärin ihre Muskeln zeigen. „Ich bin Teil einer Männerdomäne und muss in diversen Gremien immer wieder beweisen, dass wir Frauen das genauso gut können – und auch, welche Vorteile wir im Einsatz und bei Führungsaufgaben mitbringen“, schildert Andrea Fürstberger. Damit andere Frauen „nicht den gleichen steinigen Weg gehen müssen wie ich“, machte die Feuerwehrfrau Karriere als Frauenbeauftragte in der Feuerwehr, erst auf Kreis-, dann auf Landesebene, und engagiert sich für die Anliegen der Frauen. Heute vertritt Andrea Fürstberger als Landesfrauenbeauftragte mehr als 32.000 bayerische Feuerwehrfrauen. Sie setzt sich für mehr Frauenpower in der Feuerwehr ein, achtet auf Geschlechtergerechtigkeit, zum Beispiel in der Sprache (dass eine Frau kein Feuerwehrmann ist, muss sie tatsächlich immer noch erklären), macht die Leistung der Feuerwehrfrauen in der Öffentlichkeit sichtbar, organisiert Fortbildungen, und tauscht sich intensiv mit anderen Frauenbeauftragten bundesweit aus. 

Der kleine Unterschied in Zahlen

10 Prozent der rund 326.000 bayerischen Feuerwehrleute sind Frauen. Ihr Anteil steigt stetig, auch dank intensiver Jugendarbeit. Bei den Jugendlichen liegt der Mädchenanteil schon bei mehr als 25 Prozent. 

Die eigene(n) Stärke(n) entdecken und einsetzen 

Andrea Fürstberger macht erlebnisstarke Öffentlichkeitsarbeit vor Ort und im Web. Sie besucht Veranstaltungen, „damit die Männer und vor allem die Frauen sehen, dass es Frauen bei der Feuerwehr gibt!“ Als Botschafterin berichtet sie von ihren spannenden Einsätzen, von der Vielfalt ihrer Aufgaben, von der Chance, sich zu erproben und zu beweisen. Auch bei einer bayernweiten Kampagne für mehr Frauen in den Feuerwehren zeigte sie vor einigen Jahren Gesicht.  

Auf einem Notebook-Bildschirm sind mehrere Feuerwehrfrauen in Einsatzkleidung und starker, selbstbewusster Pose zu sehen.

Zeigt für mehr Frauenpower in der Feuerwehr Gesicht: Andrea Fürstberger (2. von rechts). 

Motorsägen? Können Frauen auch ... 

Andrea Fürstberger ermutigt Frauen, die ein Ehrenamt mit Sinn, garantierter Abwechslung und starkem Zusammenhalt suchen – und Frauen, die in der Feuerwehr weiterkommen und Verantwortung übernehmen wollen. Frauen sollten nicht lange grübeln, ob sie die Aufgaben bewältigen – sondern es einfach versuchen, findet sie. Sie organisiert Fortbildungen speziell für Frauen, vom Atemschutzgerätetraining bis zum Motorsägekurs. Frauen können sich dann ganz entspannt ausprobieren, ohne skeptische Männerblicke, und dann, so Fürstberger, feststellen: „Ja super, des konn i a!“ 

Teamführung: (noch) eine typische Frauenstärke 

Auch in Führungspositionen würden Frauen gebraucht, betont Andrea Fürstberger, gerade wegen ihres anderen Führungsstils. „Kommandantin oder Kommandant zu sein, ist ein wahnsinnig verantwortungsvoller Posten. Frauen werden gebraucht, um dieses Amt auszufüllen! Früher hat der Kommandant am Einsatzort gestanden und herumgeschrien. Heute muss man ein Team führen. Das können Frauen sehr gut. Sie müssen es sich nur zutrauen!“ Frauen, da ist Andrea Fürstberger überzeugt, „können dasselbe wie die Männer. Sie führen und denken nur anders und gehen manche Einsätze und Herausforderungen anders an als die Männer.“ 

„Bevor wir Frauen irgendwas übernehmen, fragen wir uns: Kann ich das überhaupt? Wir wollen immer 100 Prozent geben. Männer gehen anders ran: Wenn sie nur 80 Prozent können, melden sie sich trotzdem.“

Was nicht passt, muss passend gemacht werden ... 

Wenn es darum geht, Menschenleben zu retten, muss alles passen – buchstäblich. Andrea Fürstberger wirbt dafür, dass die Einsatzkleidung nicht nur auf stämmige XXL-Männerkörper zugeschnitten ist. Dass also bei der Jacke nicht nur der Männerbauch berücksichtigt wird, sondern auch die Frauenbrust, die schmaleren Schultern, die breiteren Hüften. Das ist keine Frage des Stils, sondern der Sicherheit: Im Einsatz muss die Kleidung den Feuerwehrleuten volle Bewegungsfreiheit geben und den gesamten Körper optimal schützen. Genauso wichtig ist für Andrea Fürstberger eine ergonomisch gestaltete Ausrüstung, die bei Männern wie Frauen Rückenschmerzen vermeidet. Erste Verbesserungen gibt es schon länger, zum Beispiel ausziehbare Trittbretter an den Einsatzfahrzeugen. Mit ihnen können auch kleinere Feuerwehrleute jeden Geschlechts ohne Verrenkungen die Einsatzgeräte vom Wagen nehmen. 

... bei der Kleidung und der Kommunikation 

Verändert habe sich auch schon einiges in der Kommunikation. Wenn etwas nicht passt, im übertragenen Sinn, könne man das deutlich ansprechen. „Die alten Haudegen kannten das nicht“, lacht Andrea Fürstberger, „aber die Jugend ist heute anders drauf.“ 

Eine Reihe von offenen Spinden mit Feuerwehrkleidung.

Was Feuerwehrleute im Einsatz tragen, ist nicht Jacke wie Hose. Andrea Fürstberger setzt sich auch dafür ein, dass künftig beim Entwurf der Einsatzkleidung auch zierlichere Einsatzkräfte, ob Mann oder Frau, berücksichtigt werden. 

Feuerwehrleute, Frauen wie Männer, löschen, retten, bergen und schützen. Sie sind zur Stelle, wenn der Christbaum brennt, ein Blitz die Scheune trifft oder der Mähdrescher auf dem Feld in Flammen aufgeht. („Brände gibt es erstaunlicherweise noch oft“, erklärt Andrea Fürstberger, „obwohl man meint, es ist alles so abgesichert!“) Sie helfen bei Unfällen, befreien eingeklemmte und eingesperrte Personen und sind zur Stelle, wenn gefährliche Gase, Pulver oder Flüssigkeiten austreten. Bei Starkregen und Hochwasser retten sie gefährdete Menschen, evakuieren Gebäude und befüllen Sandsäcke. Und wenn sich die Gemeinde zum Sonnwendfeuer trifft, sorgen sie genauso für Sicherheit wie beim Martinszug der Kita-Kinder.  

Wenn es im eigenen Gemeindegebiet brennt, ertönt die Sirene. Bei Bränden in einer Nachbargemeinde werden alle Feuerwehrleute per SMS oder Piepser alarmiert. „Jeder schaut dann, ob er oder sie nah genug am Einsatzort ist – oder ob es sich lohnt, später zu kommen und die anderen abzulösen.“ Eines tun sie in der Regel nicht: ausrücken, wenn ein Miezerl auf dem Baum miaut. „Wenn eine Katze auf den Baum raufkommt, dann kommt sie auch wieder runter“, lacht Andrea Fürstenberger. Schließlich schieben die ehrenamtlichen Feuerwehrleute nicht wie die hauptamtlich Bezahlten Dienst im Feuerwehrhaus, bis eine Meldung eingeht. Sondern sie lassen im Notfall von einer Sekunde auf die andere die Arbeit im Büro, zu Hause oder auf der Baustelle liegen, drücken das Kind dem Opa in die Hand oder rennen von der eigenen Geburtstagsparty zum Feuerwehrhaus.  

Andrea Fürstbergers Helm ist mit einem „A“ in einem blauen Dreieck markiert. Das bedeutet: Die Feuerwehrfrau ist Atemschutzgeräteträgerin – eine von rund 30 der mehr als 100 Aktiven in der Feuerwehr Falkenberg. Wenn sie zu einem Brand gerufen wird, zieht sie das Tragegestell mit den Druckluftflaschen wie einen Rucksack auf die Schultern, legt die Atemschutzmaske an, setzt eine Flammschutzhaube auf und betritt gemeinsam mit anderen speziell ausgebildeten Kollegen verrauchte Räume.  

An vorderster Front im Einsatz 

„Die Atemschutzgeräteträger sind die Speerspitze der Feuerwehr“, verdeutlicht die Feuerwehrfrau. „Sie gehen als Erste ins Gebäude, immer im Team, zu zweit oder dritt.“ Ihr Schutzanzug hält Temperaturen bis zu 100 Grad aus, die Druckluftflasche auf ihrem Rücken versorgt sie mit reiner Atemluft. In verqualmten, verrauchten Räumen ist die Sicht gleich null. Mit einer Wärmebildkamera ortet Andrea Fürstberger bewusstlose Personen und Glutnester. Das funktioniert auch in einem Raum, der sich schon durchs Feuer aufgeheizt hat.  

Was im Ernstfall zählt: Selbstvertrauen haben und ausstrahlen 

An Raumangst leiden darf man nicht, wenn man die Atemschutzmaske aufsetzt und sich in rauchvernebelten, stockdunklen Gebäuden vorantastet. Während der Ausbildung rutschte Andrea Fürstberger mit voller Atemschutzausrüstung durch Tunnel, um sich nach und nach an die Extremsituation zu gewöhnen. Spürt das Team eine vermisste Person auf, heißt es: nichts wie raus. Die Rettung trainieren die Feuerwehrleute mit Dummys. „Ein 70-Kilo-Mann ist bewusstlos 90 Kilo schwer“, schildert Andrea Fürstberger. Die Ausrüstung, die sie am Körper trägt, bringt es auf 25 Kilo und mehr. „In so einer Situation muss ich Selbstvertrauen haben und ausstrahlen. Ich muss mir und meinem Partner das Gefühl geben: Wir schaffen das! Und das schaffen wir auch.“ 

Gute Kondition für den Extremeinsatz 

Für ihren Extremeinsatz braucht die Feuerwehrfrau eine gute Kondition. Die muss sie regelmäßig beweisen, bei den Übungen der Falkenberger Feuerwehr alle zwei Wochen und einmal pro Jahr beim großen Check. Dann strampelt Andrea Fürstberger auf dem Trimm-Dich-Rad, bis ihr Puls nach oben schnellt. Anschließend startet sie in einen Parcours, klettert Leitern empor, kriecht durch Reifen mit dem Atemschutzgerät und durch Röhren, den Pressluftatmer vor sich herschiebend. Die Atemluft reicht 30 Minuten, gutes Zeitmanagement ist lebenswichtig, im Zweifel geht der Eigenschutz vor. Jahr für Jahr hat Andrea Fürstberger die Prüfung bestanden. 

„Der Einsatz bei Bränden ist gefährlicher, als wenn du alte Menschen betreust oder Kindern das Klettern beibringst“, sagt Andreas Fürstberger. „Aber du bist immer gut geschützt und hast deine Eigenverantwortung.“ Und: Wer bei der Feuerwehr arbeitet, muss nicht unbedingt durch Rauch und Flammen gehen, es gibt viele andere wichtige und verantwortungsvolle Einsatzfelder.  

Auch als junge Mutter aktiv 

Veränderte sich Andrea Fürstbergers Blick auf ihr Ehrenamt, als sie Mutter wurde? „Nein“, lacht sie und schüttelt den Kopf, „es ging dann nur um die Frage, wer im Notfall das Kind betreut.“ Ihre Mutter sprang als Babysitterin ein; als ihr Sohn alt genug war, erklärte Andrea Fürstberger ihm, was Mama macht, wenn sie mal wieder blitzschnell aus dem Haus rennt. Das fand er spannend; heute ist er fast erwachsen und selbst bei der Feuerwehr. 

Nein! Es gibt Jobs im Einsatz vor Ort, an der vordersten Front und in den hinteren Reihen, in der Funkzentrale, der Organisation, der Öffentlichkeitsarbeit oder in der Nachwuchsgewinnung, zum Beispiel bei der Kinder-Feuerwehr. Alle Jobs sind wichtig und brauchen die geeigneten Kräfte, die mutige und besonnene Frau genauso wie den verwaltungserfahrenen Mann, die fähige Teamführerin und den starken Teamplayer. 

Die Feuerwehr braucht Menschen, die im richtigen Moment an der richtigen Stelle zupacken. „Wer kein Blut sehen kann, stellt sich hinten hin und sichert die Unfallstelle ab“, veranschaulicht Andrea Fürstberger. „Einige ältere Kollegen kommen nur, wenn eine Landwirtschaft brennt, die können mit Tieren umgehen. Man ist nicht jeden Tag in der gleichen Verfassung. Aber eines ist klar: Frauen wollen nicht immer nur betreuen und Händchen halten!“ 

Die Freiwillige Feuerwehr bietet viele Aufstiegschancen. Lehrgänge bereiten erfahrene Feuerwehrleute auf Leitungsaufgaben vor, zum Beispiel als Gruppen- oder Zugführung. Die besonderen Führungsdienstgrade reichen von der stellvertretenden Kommandantin bis zum Kreis- und Stadtbrandrat, der wichtige organisatorische Aufgaben auf kommunaler Ebene wahrnimmt. Allerdings: Noch gibt es kaum Frauen in höheren Führungspositionen, Andrea Fürstberger und ihre Mitstreiterinnen in den Feuerwehren müssen noch viele Türen aufbrechen: „Mein Ziel ist, dass es 2030 in einem der 71 bayerischen Landkreise wenigstens eine Kreisbrandrätin gibt.“  

Porträtfoto: Andrea Fürstberger in Ziivl. Die Feuerwehrfrau hat lange, dunklbraune, lockige Haare. Sie lacht strahlend.

„Ich bin Feuerwehrfrau, weil ich Menschen helfen kann. Weil ich was Gutes tue. Weil die Leute kommen und sich bedanken. Und weil wir so eine tolle Truppe sind, eine Dorfgemeinschaft, und das ist schön.“ 

Porträtfoto: Andrea Fürstberger erklärt und gestikuliert.

„Es gibt fleißige Ameisen und Alphatiere, die Frage ist bei jedem Job: Wer ist DIE oder DER Beste? Ich arbeite dafür, dass es irgendwann ganz selbstverständlich ist, dass Frauen Kommandantin oder Kreisbrandrätin werden.“ 

Porträtfoto: Andrea Fürstberger schaut lächelnd nach oben.

Frauen können dasselbe wie die Männer. Sie führen und denken nur anders und gehen manche Einsätze und Herausforderungen womöglich anders an als die Männer. 

Thema 1 von 3

Andrea Fürstberger ist nicht nur Funktionärin, sondern auch aktive Feuerwehrfrau in ihrer Heimatgemeinde Falkenberg. Wie läuft ein Einsatz ab? Zum Beispiel so, lesen Sie weiter: 

Ein Uhr nachts, der Piepser schlägt Alarm ... 

Ein Uhr nachts. Der Signalton ihres Funkmeldeempfängers reißt Andrea Fürstberger aus dem Schlaf: ein Brand in einer Nachbargemeinde. Ab jetzt zählt jeder Augenblick. Die Feuerwehrfrau hechtet aus dem Bett, rennt aus dem Haus, springt ins Auto und kommt drei Minuten später im Feuerwehrhaus an, gleichzeitig mit ihren Kameradinnen und Kameraden, wie sie mit verstrubbeltem Haar und im Pyjama. Die Rolltore des Gerätehauses sind schon hochgefahren, die Feuerwehrleute sprinten an den Einsatzfahrzeugen vorbei zur hinteren Wand der Halle. Dort hängt ihre Einsatzkleidung griffbereit in einer langen Reihe von mehr als 100 Spinden – um lebensrettende Sekunden zu sparen, haben die Fächer keine Türen –, streifen Hosen und Jacken über, schlüpfen in die schweren Stiefel, ziehen die Reißverschlüsse hoch und setzen ihre hellgelben Helme auf. Zwei Bildschirme halten die Einsatzkräfte auf dem Laufenden: Wie ist die Lage, welche Feuerwehren rücken aus? 

Andrea Fürstberger zieht ihre Einsatzstiefel an. Im Hintergrund sind die Spinde zu sehen, darüber ein Info-Monitor.

Hier zeigt uns Andrea Fürstberger ausnahmsweise in aller Ruhe, wie sie ihre Einsatzkleidung anlegt. Mehr als 100 Spinde reihen sich entlang der Wände im Gerätehaus, alle tragen Namensschilder; auf fünf Schildern stehen Frauennamen. 

Andrea Fürstberger trägt jetzt ihre Einsatzkleidung und setzt gerade ihren Helm auf.

Fürs Umziehen ist im echten Einsatz keine Zeit. Feuerwehrfrau Andrea Fürstberger demonstriert hier, wie sie Hose und Jacke dann einfach übers Sommerkleid (oder den Pyjama) streift. Helm auf – und schnell rein ins Löschfahrzeug! 

Thema 1 von 2

Die Fahrer der Einsatzfahrzeuge haben schon die Motoren gestartet; die Abgase strömen in einen dicken Schlauch, der über den Auspuff gestülpt ist und automatisch abrutscht, wenn sich ein Fahrzeug in Bewegung setzt und das Gerätehaus verlässt. Die Feuerwehrleute klettern auf ihre Plätze, zurren die Kinngurte ihrer Helme fest, die Fahrer geben Gas, schalten das Blaulicht ein und rasen los. Die vorgeschriebene Hilfsfrist beträgt zehn Minuten: In dieser Zeitspanne muss die Feuerwehr ab Eingang einer Meldung den Einsatzort erreichen. Achteinhalb Minuten nach dem Notruf bremst der Löschzug an der Unfallstelle, kurz darauf springen auch die Einsatzkräfte aus dem Nachbarort aus ihren Fahrzeugen. 

Nun beginnt eine hundertfach geübte und erprobte Routine: den Unfallort sichern, Überblick gewinnen, Menschen aus den verkeilten Fahrzeugen retten, Verletzten Hilfe leisten ... Wer kein Blut sehen kann, übernimmt andere wichtige Aufgaben, leitet zum Beispiel den Verkehr an der Unfallstelle vorbei oder betreut die Unverletzten, führt sie vom Unfallort weg an eine sichere Stelle, versorgt sie mit Decken und Getränken, beruhigt, tröstet und erklärt. Andrea Fürstberger ist ganz vorne mit dabei, kümmert sich um einen Verletzten. Sie ist auch am Spreizer und der Rettungsschere ausgebildet, mit denen die Feuerwehrleute Menschen aus Autos befreien.  

Irgendwann in den frühen Morgenstunden kehrt die Feuerwehrfrau nach Einsätzen wie diesem zurück, hängt ihre Einsatzkleidung in den Spind, setzt sich in ihr Auto, fährt die knapp eineinhalb Kilometer nach Hause. Vielleicht kann sie sich noch ein Stündchen hinlegen. Oder sie muss gleich duschen, frühstücken und zur Arbeit aufbrechen.  

Andrea Fürstberger sitzt mit Helm und Schutzjacke im Einsatzfahrzeug und legt das Atemschutzgerät an.

Wenn die Feuerwehr zu einem Brand gerufen wird, setzt sich Andrea Fürstberger auf einen der Sitze hinter der Fahrerkabine. Dort hängt die Atemschutzausrüstung bereit. Während das Löschfahrzeug zum Einsatzort fährt, legt sie den Pressluftatmer an.  

Andrea Fürstberger steht vor einem Einsatzfahrzeug, hinter ihr ist ein zusammengelegter Löschschlauch verstaut.

Hinter den Rolltüren des Einsatzfahrzeugs ist die gesamte Ausrüstung verstaut – natürlich auch der signalgelbe Feuerwehrschlauch.

Thema 1 von 2

Die Feuerwehrfamilie schaut aufeinander 

Nach belastenden Einsätzen haben nicht nur die Feuerwehrfrauen Redebedarf. Wenn sie schwere Unfälle erleben, wenn sie einem Menschen nicht mehr helfen können, wenn eine ganze Tierherde im Stall verbrennt. „Es hat mir geholfen, dass auch gestandene Mannsbilder reden mussten“, erinnert sich Andrea Fürstberger. Bei Bedarf kommt eine PNSV-Kraft ins Team (PNSV = Psychosoziale Notfallversorgung) und hilft den Ehrenamtlichen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Und auch untereinander finde man immer ein offenes Ohr: „Die Feuerwehrfamilie“, sagt Fürstberger, „schaut aufeinander.“ 

Übrigens ... Menschen, die Andrea Fürstberger aus Bränden oder Unfallautos holt, scheinen sich wenig für ihr Geschlecht zu interessieren. Darüber, dass er von einer Frau gerettet wurde, hat sich jedenfalls noch keiner beschwert.

 

Andrea Fürstberger: meine Botschaft 

„Frauen können alles und noch viel mehr – wir dürfen uns und unsere Fähigkeiten nicht in den Schatten der Männer stellen! Wir müssen Aufgaben und den Wettbewerb um Führungspositionen mit mehr Eigeninitiative angehen. Dazu möchte ich andere Frauen zum Beispiel mit Seminarangeboten motivieren. Frauen, traut euch! Nur gemeinsam und im Team geht alles, und sogar oft viel leichter. Und wie der Kabarettist Dieter Hildebrandt so schön gesagt hat: Ohne Unterschiede macht Gleichheit keinen Spaß!“