Aufgewachsen in einer Künstlerkolonie
Der große Durchbruch als Künstlerin blieb Gertraud Rostosky versagt. Dafür hätte die Malerin dauerhaft am Kunstmarkt einer Großstadt präsent sein müssen. Dies gelang ihr nie. Denn neben der Kunst hatte Gertraud Rostosky noch ein zweites Ziel: Sie wollte die Künstlerkolonie erhalten, die auf dem Gutshof ihres Großvaters hoch über der Würzburger Altstadt entstanden war. Ihr Großvater hatte das Anwesen, das den Namen „Neue Welt“ trug, in den 1860er Jahren als Landwirtschaft ins Leben gerufen. Doch während die Bewirtschaftung der Felder nie viel abwarf, wurde das Gut bald zum Treffpunkt von Kunstschaffenden, Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Auch Fremdenzimmer wurden vermietet.
In diesem Klima wuchs Gertraud Rostosky auf. Als sie allerdings selbst Malerin werden wollte, stieß ihr Wunsch bei der Mutter auf Ablehnung. Dennoch setzte die junge Frau ihren Willen durch. Um unabhängig zu bleiben, lehnte sie 1894 sogar den Heiratsantrag ihrer großen Liebe, des Dichters Max Dauthendey, ab.
Das Streben nach Unabhängigkeit
Gertraud Rostosky absolvierte eine Malereiausbildung in München, Paris und Berlin, kehrte dazwischen aber immer wieder auf die „Neue Welt“ zurück. Schritt für Schritt verwandelte sie das Gut in ein offenes Haus für die vielen Künstlerinnen und Künstler, denen sie begegnet war. Zu den Gästen zählten berühmte Malerkollegen wie Erich Heckel, Otto Modersohn und Hans Purrmann.
Finanziell jedoch wurde die Lage mit dem Ersten Weltkrieg schwierig. Zunächst verkaufte Gertraud Rostosky einen Teil der zum Gut gehörenden Felder, 1920 schließlich das ganze Anwesen. Sie selbst behielt nur ein lebenslanges Wohnrecht. Im Nationalsozialismus wurde es fast unmöglich, den alten Geist der „Neuen Welt“ aufrecht zu erhalten. Die Würzburger selbst sahen in der Malerin in dieser Zeit ohnehin nur die „Verrückte vom Berg“.
Nach 1945 lebte die Künstlerkolonie nochmals auf. Erst mit dem Tod Gertraud Rostoskys 1959 endete auch die Geschichte dieses Künstlertreffpunkts hoch über den Dächern von Würzburg.
„Zu eng ward das Haus – meine Seele flog aus. Fragte nicht viel Wie ein Kind im Spiel Fort springt und nicht hört Zu keinem Rufen sich kehrt. Und ich seh ohne Macht Wie sie tanzt, wie sie lacht. Wie sie hineilt voll Lust ihm an die Brust. Und das Lied ist aus – Leer blieb das Haus.“
Gertraud Rostosky in einem Gedicht über ihr Leben
Quellen- und Literaturhinweise
Kleinlauth, Brigitte: Gertraud Rostosky (1876 – 1959). Würzburg, 1998