Julie Meyer: Die Aufklärerin

Wie geht es in der Politik überhaupt zu? Welche Tragweite haben bestimmte Ereignisse? Für viele Frauen waren solche Fragestellungen in den 1920er Jahren noch neu. Julie Meyer versuchte, ihnen in Kursen und in einer Zeitschrift diese Welt zu erschließen. Dann musste sie vor den Nazis fliehen.

Stadtansicht Nürnberg
iStock/olrat
Illustration Porträt von Julie Meyer (-Frank)

Steckbrief

Name
Julie Meyer
Geboren
1897 in Nürnberg
Gestorben
1970 in New York
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1917–1921:Studium u. a. der Soziologie, Wirtschaft und Geschichte in München und Erlangen, Promotion
ca. 1922–1933:Mitherausgeberin der politischen Zeitschrift „Echo“, Mitgliedschaft in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der Radikaldemokratischen Partei (RDP)
1937:Flucht in die USA, Dozentin und Professorin an der New School for Social Research in New York
Zeitalter
1920er Jahre
Wirkungsfeld
Bildung und Erziehung, Politik und Medien
Frauenort
Nürnberg Kartenvorschau Nürnberg

Hilfe im politischen Denken

Julie Meyer war im engen Sinn keine Frauenrechtlerin. Ihr Hauptanliegen in den 1920er Jahren war, Frauen zu helfen, sich in ihrer völlig neuen Situation zurechtzufinden und Ereignisse einzuordnen. Schließlich war ihnen erst 1919 das Wahlrecht zugesprochen worden. Politisches Denken war vielen noch fremd.

Julie Meyer selbst hatte sich bereits 1917 für ein durch und durch politisch ausgerichtetes Studium entschieden. 1920 wurde sie Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und Mitherausgeberin der Zeitschrift „Echo der jungen Demokratie“. Diese richtete sich an die Jugendvereinigung der DDP.

Das Blatt wurde rasch so erfolgreich, das die Zielgruppe ausgeweitet wurde; auch der Titel wurde mehrfach angepasst. 1930 wechselt Julie Meyer, und mit ihr das „Echo“, zur Radikaldemokratischen Partei, weil sich in der DDP zunehmend judenfeindliche Ansätze zeigten.
 

„Deswegen sollen die Frauen nicht heraus aus der Politik, sondern hinein, kämpfend … gegen den Krieg, das heißt gegen den Tod, für den Frieden, das heißt, für das Leben!“

Julie Meyer in einem Zeitungsartikel, 1931

Flucht in die USA 

Ihr Geld verdiente Julie Meyer nach Abschluss ihres Studiums als Dozentin unter anderem an der Nürnberger Volkshochschule. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde sie entlassen, weil sie Jüdin war. Nun engagierte sie sich im „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“. In diesem Rahmen beriet sie Menschen, die aufgrund der zunehmenden Hetze gegen Juden auswandern wollten.

Auch Julie Meyer entschied sich schließlich zu diesem Schritt. 1937 gelang es ihr, ein Visum für die USA zu ergattern. Der Start dort war schwierig, weil gleichzeitig viele andere Wissenschaftler aus Deutschland flohen. Ab 1938 konnte sie an einer New Yorker Universität arbeiten, zunächst als Forschungshilfskraft, später als ordentliche Professorin. Nach Deutschland kehrte sie nicht mehr zurück. Ab 1945 hielt sie jedoch regen Kontakt zu einigen Politikern der jungen Bundesrepublik. Nach ihrem Tod wurde ihre Asche auf ihren Wunsch hin auf dem Israelitischen Friedhof in Nürnberg beigesetzt.
 

„Es wirken die guten wie die schlechten Zeiten mit uns, und beide haben uns geformt.“

Julie Meyer 1965 in einem Brief an Werner Schultheiß, damals Leiter des Nürnberger Stadtarchivs