Eine Frau mit einer Brille sitzt an einem Tisch und schaut in die Kamera.
Monika Keiler

Die Beständige

Inge Gehlert ist seit Beginn der Neunzigerjahre im Deutschen Evangelischen Frauenbund (DEF) aktiv. Die gelernte Anwältin entschied sich bewusst für die ehrenamtliche Tätigkeit und mischt auch im Ruhestand noch kräftig mit. Das Engagement für andere ist ein zentraler Antrieb in ihrem Leben. 

Ehrenamt als Lebensaufgabe 

Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Frauen und Familie lagen Inge Gehlert schon immer am Herzen. Nach ihrem Jurastudium war sie zunächst als Anwältin tätig. Wegen der häufigen Versetzungen ihres Mannes als Pfarrer und Militärseelsorger musste die Familie achtmal umziehen. Eine eigene Berufstätigkeit ließ sich damit kaum vereinbaren – besonders, da die Kirche und die Gemeinden Frauen in dieser Rolle oft skeptisch gegenüberstanden. Wegen ihrer juristischen Kenntnisse wurde Inge Gehlert 1989 als ehrenamtliche Beisitzerin in die Disziplinarkammer der Evangelischen Bayerischen Landeskirche berufen. Dort war sie 25 Jahre tätig. Sie gab ihren Beruf als selbstständige Anwältin auf, betreute die Kinder und engagierte sich in der Frauenarbeit der Kirchengemeinde sowie im Dekanat Regensburg. Anfang der Neunzigerjahre kam sie zum ersten Mal mit dem Deutschen Evangelischen Frauenbund (DEF) in Berührung. „Ich wurde von einer Frau aus dem Ortsverband Regensburg angesprochen, die sich in einer Gruppe zum Thema Medienarbeit und kritische Fernsehbeobachtung engagierte. Das fand ich ausgesprochen interessant.“ Für Inge Gehlert war das der Einstieg in den DEF. Sie engagierte sich zunächst als Mitglied im Ortsverband, übernahm im Jahr 2000 die Stelle der DEF-Landesvorsitzenden und in den folgenden Jahren wechselnde ehrenamtliche Posten auf Landes- und Bundesebene. „Dort konnte ich auch meine juristischen Kenntnisse gut nutzen“, erzählt Inge Gehlert mit einem Augenzwinkern. 

Eine Frau sitzt auf einem Schreibtisch, hinter ihr steht ein Computerbildschirm.

Inge Gehlert ist eine zupackende Mitstreiterin in Frauenfragen. 

Monika Keiler

Frauen im Dienst der Frauen 

Ein Schwerpunkt des 1899 gegründeten DEF, der seine Wurzeln in der bürgerlichen Frauenbewegung hat, liegt auf dem Engagement für Frauen. Das Motto lautet seit Beginn „Verantwortung übernehmen für sich und andere“. Daraus leitet sich ein gesellschaftspolitisches Engagement in Kirche und Gesellschaft ab. Ein Thema, das Inge Gehlert viel beschäftigt, ist die Chancengerechtigkeit. In Anbetracht der aktuellen politischen Lage findet sie es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten. Besonders die Tradwife-Bewegung, in der Frauen die traditionelle Hausfrauenrolle einnehmen, sieht sie kritisch. Das Vorgaukeln einer schönen heilen Welt hält sie für gefährlich und appelliert gerade an junge Frauen, wachsam zu bleiben. In der Politik beobachtet sie ebenfalls mit Sorge rückwärtsgewandte Tendenzen: „Wir sehen im neuen Bundestag, dass Frauen auf dem Rückzug sind, unter anderem weil sie in den sozialen Medien mit Hass und Gewaltandrohungen konfrontiert werden. Und das dürfte nicht sein. Der DEF setzt sich für die Parität in den Parlamenten ein.“ Um auf Missstände aufmerksam zu machen, nutzt Inge Gehlert die verschiedenen Kanäle des DEF. Im Februar 2025 rief sie in einer Meldung auf der Website dazu auf, wählen zu gehen, und formulierte darin ihren Wunsch an die neue Regierung, die Gleichstellung stärker zu fördern, um die immer noch bestehenden Unterschiede zu beseitigen. Junge Frauen bestärkt sie darin, sich von traditionellen Rollenbildern zu lösen und neue Partnerschaftsmodelle auszuhandeln. Ein Problem, das in ihren Augen besonders drängt, ist das Thema gleiche Bezahlung. 

„Alle Fortschritte in Frauenfragen bewegen sich in Trippelschritten voran: Die bereinigte Lohnlücke beträgt bei gleicher Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie weiterhin sechs Prozent. Das muss sich ändern.“

3 Fragen zur Rolle der Frau 

Ich nehme Frauen selbstbewusster und zum Teil auch eigenständiger wahr, als ich es mit 20 oder 30 Jahren war. Sie sind stärker und lassen sich weniger gefallen. Gleichzeitig sind sie aber auch in den sozialen Medien Hass und Häme ausgesetzt.

Früher war es schon so, dass ich als Frau nicht für voll genommen wurde. Als ich anfing zu studieren, wurde nur von den Kollegen gesprochen, Frauen waren nicht sichtbar. Auch bei der Gehaltsfrage wurden Frauen schlechter eingestuft. Das ist heute zum Glück anders.

Im DEF-Landesverband erlebe ich einen großen Zusammenhalt, uns alle verbindet der christliche Hintergrund. Keine muss sich profilieren, wir arbeiten auf einer Wellenlänge zusammen. Wir kennen uns alle schon sehr lange. Dennoch kommen immer wieder neue Frauen dazu, die frischen Wind in den Verband reinbringen. 

Eine Frau geht in einem Park spazieren.

Politisches Gespür und eine unermüdliche Tatkraft kennzeichnen den Weg von Inge Gehlert.

Monika Keiler
Eine Frau geht in einem Park spazieren.

Politisches Gespür und eine unermüdliche Tatkraft kennzeichnen den Weg von Inge Gehlert.

Monika Keiler
Eine Frau geht in einem Park spazieren.

Politisches Gespür und eine unermüdliche Tatkraft kennzeichnen den Weg von Inge Gehlert.

Monika Keiler
Thema 1 von 3

Etwas bewirken 

Die Angebote der Ortsverbände des DEF reichen von sozialen Projekten für Frauen und Familien über Frühstückstreffen bis zu Informationsveranstaltungen zu aktuellen Themen wie künstliche Intelligenz. Als Verwaltungsratsvorsitzende des Landesverbands Bayern mittelt Inge Gehlert mit ihren Kolleginnen immer wieder aufs Neue aus, auf welche Weise sie gesellschaftliche Änderungen vorantreiben können: „Zusammen mit unserer geschäftsführenden Vorständin und dem Verwaltungsrat gucken wir, welche Themen aktuell interessant sind: Wo sollten wir uns positionieren – sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft?“ Aktuell stehen unter anderem das Alter und der demografische Wandel im Fokus. Im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Arbeitsgruppe Internationales/Altenpolitik setzt sich Inge Gehlert beispielsweise für eine UN-Konvention für ältere Menschen ein. Sie plädiert außerdem dafür, dass neben den digitalen Angeboten weiterhin analoge erhalten bleiben: „Viele ältere Menschen kommen da einfach nicht mit“, erklärt sie. Gleichzeitig organisiert sie zusammen mit ihren Kolleginnen in den Ortsverbänden Veranstaltungen rund um das Thema Älterwerden und Schulungen zum Umgang mit PC, Tablet und Smartphone. 

Gremienarbeit und Frauennetzwerke 

Politisch nimmt der DEF vor allem über seine zahlreichen Netzwerke Einfluss: In Zusammenarbeit mit anderen Verbänden wie dem Bayerischen Landesfrauenrat, der BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen) oder der Verbraucherzentrale entwickeln Inge Gehlert und ihre Kolleginnen gemeinsame Projekte: „Es gibt regelmäßige Treffen sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene, in denen wir uns über aktuelle Themen austauschen. Als Mitglied im Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ setzt sie sich für ein zeitgemäßes Familienrecht ein, das im Koalitionsvertrag verankert werden müsste. An diesem Bündnis beteiligen sich 21 Verbände. Genauso machte sich der DEF 2022 dafür stark, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche (Paragraf 219a StGB) abzuschaffen. „Da waren wir vorne mit dabei und konnten mit der Unterstützung unserer Partner Druck ausüben und etwas bewirken.“ Über die verschiedenen Fachausschüsse kommt sie außerdem mit Frauen aus anderen Verbänden und Gruppierungen unterschiedlichster Art in Kontakt – von kirchlich bis queer. Sie fühlt sich durch ihre Tätigkeit am Puls der Zeit und schätzt diese Erfahrung auch persönlich, da diese sie geistig fit halte.

Eine Frau sitzt auf einem Schreibtisch, hinter ihr steht ein Computerbildschirm.

Im DEF engagieren sich viele Frauen ehrenamtlich. 

Monika Keiler

Neue Partnerschaftsmodelle 

Inge Gehlert ist sich darüber im Klaren, dass ihr Modell von einem fast lebenslangen Ehrenamt die Ausnahme darstellt und ohne den finanziellen Rückhalt der Familie nicht möglich gewesen wäre. Bereut hat sie diesen Schritt keine Sekunde. Und sie freut sich über das Engagement der „jungen Alten“ im Ortsverband Aschaffenburg. Den Frauen im Rentenalter, die häufig alleinstehend sind, bietet die ehrenamtliche Tätigkeit eine neue Perspektive und bringt sie mit anderen gleichgesinnten Frauen zusammen. Das Leben im Ortsverband, in der Gemeinde mitzugestalten und alte wie junge Frauen dabei zu unterstützen, mit den alltäglichen Herausforderungen umzugehen, bedeutet ihr viel. Und sie ist noch nicht am Ende: Sie setzt sich weiterhin gegen Altersarmut und für bessere Rahmenbedingungen für berufstätige Frauen ein. In der hauseigenen Zeitschrift „def-aktuell“, die der DEF Landesverband Bayern herausgibt, ermutigt sie junge Frauen immer wieder, alte Rollenbilder zu überdenken. 

Menschenwürde und Verantwortung

In all ihrem Tun geht es Inge Gehlert vor allem auch darum, christliche Werte zu vermitteln. Für jede Ausgabe der „def-aktuell“ wird ein Bibelvers als Losung ausgewählt. Die Jahreslosung für die erste Ausgabe 2025 lautete: „Prüfet alles und behaltet das Gute“, 1. Thess 5,21. Ein gutes Leitwort für alle ehrenamtliche Tätigkeiten. Für ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement in Gesellschaft und Kirche wurde ihr das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. 

„Mir ist wichtig, das Thema Menschenwürde in allen Fragen mitzudenken und darauf hinzuweisen.“