Die Sternenjägerin
Obwohl sie in den MINT-Fächern anfangs schlechte Noten hatte, wurde das Weltall ihr Arbeitsfeld. Suzanna Randall forscht nicht nur als Astrophysikerin an der Europäischen Südsternwarte (ESO), sie macht den Weltraum auch als Moderatorin in Wissenssendungen für andere begreifbar und setzt sich für die kommerzielle Raumfahrt in Deutschland ein.
Faszination Weltraum
Die Sterne beobachtete Suzanna Randall bereits als kleines Mädchen. Ein Schlüsselerlebnis hatte sie im Alter von neun Jahren, als sie in der Zeitung ein Foto von einem Steinbrocken sah und erfuhr, dass es sich um Phobos handelte, einem der beiden Marsmonde. Da wurde ihr klar, dass das All kein abstrakter Raum ist, sondern einer, den Menschen beobachten und bereisen können. Das von der Raumsonde aufgenommene Foto entfachte ihre Fantasie: Jahrelang stellte sie sich vor, wie sie selbst zum Phobos fliegt. Sie ging ihrer Neugier weiter nach, betrachtete die Sterne im Planetarium und besorgte sich Bücher. In einem „Was ist was“- Buch stieß sie auf die Geschichte von Sally Ride. Die amerikanische Astronautin wirkte nicht nur glücklich, sondern erinnerte sie mit ihren Locken sogar ein wenig an sich selbst. Das spornte Suzanna Randall an und ermutigte sie, sich selbst in der Rolle der Astronautin zu sehen. Zu ihrem Glück bekam sie in der Oberstufe einen Physiklehrer, der ihr das Fach näherbrachte. Sie hatte zum ersten Mal gute Noten in einem MINT-Fach und dachte ernsthaft über eine Karriere auf dem Gebiet der Astrophysik nach.
„Das Weltall interessierte mich brennend, aber mit Mathe und Physik hatte ich es eigentlich nicht so.“
Frauen in der Forschung
Und tatsächlich: Suzanna Randall studierte Astronomie in London und machte sogar ihren Doktor in Astrophysik in Kanada. Dass Frauen in der Forschung doppelt so gut sein müssen wie ihre männlichen Kollegen, hört sie von jüngeren Kolleginnen häufig. Sie selbst hat auch andere Erfahrungen gemacht. Sie fühlte sich an der französischsprachigen Uni in Kanada als einzige Doktorandin in der gesamten Physikabteilung zwar als Exotin, aber ihr Doktorvater gab ihr den entscheidenden Support, den sie brauchte, um weiterzukommen. Und auch bei der ESO in Garching, wo sie seit 2006 angestellt ist, fühlte sie sich nie benachteiligt: „In meiner Gruppe sind 50 Prozent Frauen. Außerdem verfolgt die ESO eine sehr aktive Gleichstellungspolitik –Bewerberinnen werden ausdrücklich gefördert.“ Manchmal empfindet sie es sogar als Vorteil, eine Frau zu sein: „Ich falle einfach auf, wenn ich in einem Raum voller Ingenieure am Teleskop sitze“, sagt sie mit einem Schmunzeln.
Wissenschaftlerin und Wissenschaftskommunikatorin
Bei der ESO arbeitet Suzanna Randall für ALMA, ein besonders leistungsstarkes Radioteleskop, das molekulares Gas und Staub unter anderem in Planetenentstehungsscheiben sichtbar macht. Seit ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich in ihrer Forschung mit blauen, pulsierenden Unterzwergsternen und ihren verwandten Arten. „Mit einer speziellen Technik, der Asteroseismologie, schaue ich in das Innere dieser Sterne, um zu verstehen, wie sie entstanden sind – und auch, wie sie altern und sterben werden“, erklärt sie ihr Forschungsziel. Ein anderes besonderes Anliegen von ihr ist, Laiinnen und Laien ein wissenschaftliches Verständnis näherzubringen. Sie findet das angesichts von Verschwörungstheorien und dem Anzweifeln wissenschaftlicher Erkenntnisse wichtig. Dazu schlüpft sie immer wieder in die Rolle der Wissenschaftskommunikatorin: Ob als Moderatorin der Sendung „Terra X Lesch & Co“ oder der YouTube-Serie „Chasing Starlight“ der ESO – es geht ihr in erster Linie darum, Spaß an der Wissenschaft zu vermitteln. Auch in ihren Vorträgen für Mädchen und junge Frauen spricht sie über den Weltraum und die Astronomie. „Ich möchte, dass sie die Scheu davor verlieren, sich mit Naturwissenschaften und Technik zu beschäftigen.“
Vor allem Frauen und junge Menschen möchte Suzanna Randall für den Weltraum begeistern.
„Das Schönste in der Wissenschaftskommunikation ist, wenn es diesen Aha-Effekt gibt und es bei den Leuten klick macht.“
Pionierin in der kommerziellen Raumfahrt
Neben dem wissenschaftlichen Arbeiten verfolgt sie seit 2018 noch eine andere Mission: Im Rahmen einer privat finanzierten Initiative ließ sie sich gemeinsam mit der Klimaforscherin Insa Thiele-Eich zur Astronautin ausbilden. Aus dem ursprünglichen Ziel, als erste deutsche Frau ins All zu fliegen, wurde allerdings nichts. Stattdessen entstand daraus das Projekt „Mission Homebound“, welches sie zusammen mit Thiele-Eich leitet. „Wir möchten ins All, um dort zu forschen und die Erkenntnisse zurück zur Erde zu bringen“, erklärt sie. Gemeinsam mit ihrem Team möchten die beiden Frauen mit „Mission Homebound“ die astronautische, kommerzielle Raumfahrt in Deutschland und Europa fördern und das Potenzial der Forschung und der Produktion im Weltraum für unterschiedlichste Industriezweige aufzeigen. Aktuell sind sie auf der Suche nach Institutionen und Unternehmen, die sich an dem Vorhaben beteiligen. Suzanna Randall hält diesen Schritt für dringend erforderlich: „Die USA, Russland und China sind im Bereich der astronautischen Raumfahrt sehr engagiert. Gerade in Anbetracht der aktuellen politischen Lage ist es wichtig, dass Deutschland in dem Bereich aktiver wird.“
3 Fragen zur Rolle der Frau
In meinem Umfeld lerne ich sehr viele großartige, sehr selbstbewusste Frauen kennen. Aber es gibt nicht „die eine Frau“ von heute. Es ist wie bei der berühmten Aufnahme des James-Webb-Weltraumteleskops, auf der ganz viele Galaxien zu sehen sind: Alle haben unterschiedliche Farben, unterschiedliche Größen, unterschiedliche Formen, und jede strahlt auf ihre Art und Weise. Und das ist auch gut so, weil wir diese ganzen unterschiedlichen Facetten brauchen. Damit das Ganze rund wird.
In meinem Arbeitsumfeld habe ich es in den letzten Jahren tatsächlich eher als Vorteil empfunden, eine Frau zu sein – sowohl in der Forschung als auch in der Wissenschaftskommunikation. Es ist ein Thema geworden, Frauen sichtbarer zu machen. Gleichzeitig müssen Frauen in der Öffentlichkeit sehr viel mehr aufpassen, insbesondere in den sozialen Medien. Da geht schnell eine Hetzjagd los, wenn Frauen „zu viel“ fordern oder zu kritisch oder selbstbewusst sind. Und anders als Männer werden Frauen oft auf eine sehr sexualisierte und gewalttätige Art beleidigt. Das ist komplett inakzeptabel.
Viele denken, dass sich Frauen sofort als Rivalinnen betrachten und der „Zickenkrieg“ losgeht, sobald mehrere Frauen zusammenkommen. Aber das stimmt nicht. Auch wenn es in den Medien teilweise anders dargestellt wurde: Die sechs Kandidatinnen, die in der Endauswahl zur Initiative „Die Astronautin“ standen, haben sich gut verstanden. Ich finde Support unter Frauen superwichtig. Das beste Beispiel ist meine gemeinsame Mission mit Insa. Wir unterstützen und bestärken uns gegenseitig in dem, was wir tun.
Bei ihrer Ausbildung zur Astronautin hat sie unter anderem die Schwerelosigkeit erlebt und ihre persönlichen Grenzen kennengelernt.
Trotz Rollenwechsel fokussiert bleiben
Routine empfindet Suzanna Randall eher als hemmend. Sie wechselt gerne von der Forscherin zur Moderatorin oder zur Gründerin. Jede der drei Rollen erfüllt sie mit Leidenschaft. Gleichzeitig fordert sie das Switchen auch heraus, denn sie muss sich mit fremden Arbeitsfeldern auseinandersetzen – vor allem in ihrer Rolle als Gründerin: „Ich lerne gerade ganz viel über Netzwerke in der Industrie. Und ich setze mich mit vielen administrativen Dingen auseinander. Das ist für mich alles Neuland.“ Um den Anforderungen der jeweiligen Rolle gerecht zu werden, macht Suzanna Randall regelmäßig eine Art Bestandsaufnahme. „Ich schaue mir an, was in den einzelnen Bereichen ansteht, und lege dann fest, worauf ich mich in den kommenden drei Monaten fokussieren möchte.“
„Natürlich muss man auch was leisten, aber manchmal braucht man auch einfach Vertrauen.“
Zukunft mitgestalten
Für Suzanna Randall ist der Weltraum mehr als nur ein Forschungsprojekt – er ist auch ein zukünftiger Wirtschaftsraum. Sie möchte dazu beitragen, die Erkenntnisse aus dem All nutzbar zu machen, etwa für die Pharma- oder Halbleiterindustrie. Noch fehlen die Rahmenbedingungen, doch Suzanna Randall ist zuversichtlich: In wenigen Jahren könnten die entscheidenden Weichen für die kommerzielle Raumfahrt in Deutschland gestellt sein. Dass sie selbst einmal gründen würde, hätte sie früher nicht für möglich gehalten. Heute sieht sie genau darin eine Chance. „Das ist für mich vor allem mit Mut verbunden. Wir brauchen gerade in Deutschland mehr Frauen, die diesen Mut haben.“

