Die Flugkapitänin
Auf der Berufswunschliste der elfjährigen Cordula Pflaum stand ganz oben Astronautin, gefolgt von Pilotin. Ihren beruflichen Weg über den Wolken verdankt sie auch ihren Eltern, die ihrer Tochter vermittelten, dass sie alles erreichen kann, was sie sich erträumt. Leicht war der Weg zum Wunschberuf trotzdem nicht. Immer wieder erlebte sie, wie hartnäckig sich Rollenbilder halten. Dagegen geht sie an und möchte Vorbild sein für andere Frauen.
Über…
Es gibt viele besondere Momente, die Cordula Pflaum im Cockpit verschiedener Flugzeuge erlebt hat. Dazu gehört auch ihr erster Alleinflug. Dass es nach dieser Landung von den Kollegen den obligatorischen Klaps auf den Po gab, hat sie damals hingenommen – heute wäre es undenkbar. Bei ihr überwog damals die Freude darüber, endlich Pilotin zu sein. Ihren Plan in der Luftfahrt Karriere zu machen, verfolgte Cordula Pflaum bereits nach der Schule zielstrebig. Mit 19 war sie eine der ersten Frauen, die in der Fliegerschule eine Ausbildung machten. Ihr war von vornherein klar, dass sich der Berufsalltag einer Pilotin nicht so leicht mit einer Familie verbinden lassen würde. Aber sie fand den passenden Partner, mit dem sie gemeinsam zwei Töchter großzog und der ihr immer den Rücken frei hielt. Sie machte nicht nur Karriere zur Flugkapitänin bzw. Kommandantin, sondern wurde außerdem Ausbildungskapitänin und Expertin in Führungsfragen. In enger Zusammenarbeit mit Kliniken entwickelte Cordula Pflaum Trainingskonzepte, um psychologisch stabile Teams zu bilden und die Crewmitglieder mental zu stärken. Für sie persönlich spielt außerdem der Zusammenhalt von Frauen eine große Rolle. Als Initiatorin des internationalen Frauentreffens für Ausbilderinnen – dem Female Instructor Pilot Meet up Worldwide – freut sie sich, dass sich immer mehr Frauen anschließen: Im ersten Jahr waren sie und ihre Kolleginnen noch zu fünft, in diesem dritten Jahr tauschten sich weit über 30 Frauen aus aller Welt aus. Ihre Begeisterung für das Fliegen und ihre beruflichen Erfahrungen schildert Cordula Pflaum in ihrem ersten Buch. Ihre Töchter wundern sich, warum ihre Weiblichkeit so ein Thema ist. Aber Tatsache ist: Es vergeht kaum ein Flug, an dem die Flugkapitänin nicht darauf angesprochen wird.
Podcast: Cordula Pflaum im Gespräch
Daniela Arnu: Herzlich willkommen zu einer weiteren Folge des Podcasts über tolle bayerische Frauen. Mein Name ist Daniela Arnu und zu Gast ist heute Cordula Pflaum, eine von "Bayerns Frauen. Jede anders stark", das ist eine Aktion vom Bayerischen Sozialministerium, also Sie sind vom Sozialministerium nominiert. Hallo, schön, dass Sie da sind, Frau Pflaum.
Cordula Pflaum: Vielen Dank für die Einladung.
Daniela Arnu: Frau Pflaum, ich verrate es gleich: Sie arbeiten in einem männlichen Umfeld. Insgesamt gibt es nur sechs Prozent Frauenanteil an Ihrem Arbeitsort. Ich spreche vom Cockpit einer Passagiermaschine. Wann wurden Sie zuletzt für eine Flugbegleiterin gehalten?
Cordula Pflaum: Ach, ich glaube, so richtig lange ist das noch gar nicht her, weil ich ganz oft mit Strickjacke rumlaufe. Und an Bord wird man da schon mal verwechselt, natürlich auch von den Gästen angesprochen. Aber sobald ich meine Jacke trage, passiert mir das nicht mehr.
Daniela Arnu: Wie reagieren denn die Passagiere, wenn sie Sie als Frau sehen? Ich habe es gerade gesagt, sechs Prozent, das ist nach wie vor wenig. Wie ist es denn, wenn plötzlich eine Frau als Kapitänin — Sie sind ja auch nicht nur Co-Pilotin, sondern Sie sind Kapitänin. Wie reagieren die Passagiere?
Cordula Pflaum: Sowohl die Passagiere wie auch meine Kabinenkollegen reagieren sehr positiv. Das hat sich wirklich gewandelt. Spannend dabei ist, dass immer noch auf jedem Flug, wirklich auf jedem Flug, den ich habe, es auch mindestens einmal in der Kabinenbesatzung thematisiert wird, dass ich dort in dieser Funktion sitze. Und da ich ja nicht nur Kapitänin bin, sondern auch Ausbildungskapitänin, passiert es immer wieder, dass ich hinter meinen zwei Kollegen sitze und sie beobachte, trainiere, prüfe.
Daniela Arnu: Das heißt, wenn Sie im Cockpit, Sie trainieren und die sitzen vorne und fliegen.
Cordula Pflaum: Genau. Und sogar da sind sie natürlich noch mehr aus dem Häuschen. Was die Gäste angeht, ist es sehr schön. Ich mache sehr gerne Ansagen. Vor kurzem ist es mir zum Beispiel passiert, dass ein Passagier mich hinterher angeschrieben hat und begeistert war. Und mir Bewunderung gezeigt hat aufgrund dessen, was er dann über mich im Internet herausgefunde hat. Und die Ansage die tollste war, die er jemals gehört hat auf dem Flug nach Los Angeles. Und dann begrüße ich auch unsere First Class Gäste in der Regel persönlich. Und da kommt auch immer ein Gespräch zustande. Neulich kam eine Frau dann nach vorne und die sagte zu mir: „Als ich hörte, dass eine Frau das Flugzeug fliegt, habe ich mich besonders sicher gefühlt."
Daniela Arnu: Ach wie schön. Sie machen das jetzt schon viele Jahre. Sie haben in den 90er Jahren die Ausbildung gemacht. Das heißt, Sie sind schon viele Jahre in der Luft und fliegen erst als Copilotin und jetzt eben als Kapitänin und als Ausbildnerin. Wie hat sich das denn geändert? Wie war das früher? Da war ja der Prozentsatz, glaube ich, in den 90ern noch niedriger.
Cordula Pflaum: Ich habe in meinem Buch "Guten Tag, hier spricht Ihre Kapitänin" ein Kapitel, das heißt "Exoten vor". Als ich mit meiner Co-Autorin darüber gesprochen habe, fragte sie mich: „Warum willst du dieses Kapitel haben?" Und da habe ich gesagt, weil ich mich wie eine Exotin fühle und das von Beginn an. Das war natürlich in den Anfängen noch viel mehr. Ich war die 20. Pilotin bei der Lufthansa. Und da war man sofort in einer Schublade drin, wenn man als Frau auftrat, die man halt nun mal war.
Daniela Arnu: Aber was war in der Schublade? Welche Schublade war es? Welche Vorurteile sind da drin gewesen in dieser Schublade?
Cordula Pflaum: Grundsätzlich die, dass man sich beweisen musste. Erstmal geguckt wurde, versteht die was von ihrem Fach? Und die andere Schublade, die fand ich ganz spannend. Ich hatte eine Kollegin, die mit mir so parallel lief auf manchen Mustern. Und die war einfach ganz anders als ich. Wie wir ja alle verschieden sind.
Daniela Arnu: Bei den Männern auch.
Cordula Pflaum: Genau, bei den Männern auch. Nur bei uns fiel es halt mehr auf. Und ich konnte wirklich die Crew, ich konnte sagen, sind sie mit ihr schon vorher geflogen oder nicht? Einfach aufgrund dessen, wie sie mich behandelt haben. Weil sie mich in diese Schublade gesteckt haben.
Daniela Arnu: Okay, also das heißt, Frauen werden eher dann eben in so eine Schublade gesteckt.Wann hatten Sie das Gefühl, dass Sie jetzt wirklich ernst genommen werden? Also was war der Moment, wo sie dachten, so, ich bin es jetzt. Und die nehmen mich auch wirklich alle ernst.
Cordula Pflaum: Tatsächlich mit dem vierten Streifen. Der Rutsch nach links, Kapitänin zu werden. Da hat sich das verändert.
Daniela Arnu: Warum sind denn eigentlich so wenig Frauen da? Ist es wirklich in dem Sinne ein Männerberuf, weil es auch wirklich Kraft, körperliche Kraft kostet? Oder ist es immer noch ein Klischee, dass es ein besserer Männerberuf ist?
Cordula Pflaum: Nein, also nein, kein besserer Männerberuf, ganz bestimmt nicht. Die Zahlen der Bewerberinnen steigen. Und wir sind jetzt, glaube ich, auch schon bei 15 Prozent, vielleicht sogar 20 Prozent. Und ich glaube, es verändert sich nur, das ist ja auch ein Grund, warum ich ein Buch geschrieben habe, durch Vorbilder, warum ich in die Öffentlichkeit gehe. Weil ich bin immer noch groß geworden, wie sah ein Kapitän aus? So Norik, älterer Herr mit Kapitänsmütze. Ich möchte, dass sich das ändert. Und dann werden vielleicht auch mehr Frauen sich überlegen, diesen Beruf zu ergreifen. Zum Beispiel die Affinität, die Möglichkeit, dass das natürlich geht. Auch die Vereinbarkeit mit der Familie.
Daniela Arnu: Sie haben Töchter?
Cordula Pflaum: Genau, ich habe Töchter. Und auch ein Kapitel im Buch heißt "Wie machst du das mit den Kindern?" Und früher war das wirklich so, dass diese Frage eigentlich nur uns gestellt wurde. Auch tatsächlich im Vorstellungsgespräch. Haben Sie vor, Kinder zu kriegen? Genau, das war in Urzeiten tatsächlich auch noch Usus, ja.
Daniela Arnu: Wie haben Sie es denn gemacht? Also ich stelle jetzt ganz frech diese Frage auch. Sie haben zwei Töchter und beide Male stand eigentlich auch beruflich was Größeres an. Wie hat es funktioniert?
Cordula Pflaum: Das Lustige dabei ist, dass ich tatsächlich in alten Interviews gekramt hatte und über eins gestolpert bin, was ich an der Flugschule noch gegeben habe. Und damals habe ich gesagt, ja, das lässt sich mit der Familie nicht vereinbaren. Da war ich felsenfest davon überzeugt. Ja, und inzwischen hat die Natur das Gegenteil bewiesen. Wir haben es so gemacht, dass ich es im Grunde nur mit meinem Mann auch schaffen konnte und wir dann auch das Glück der Großfamilie, der Schwiegereltern und auch meines Vaters hatten, die uns unterstützt haben und so ging das. Es war nicht einfach.
Daniela Arnu: Es war nicht einfach, Sie wollten es aber. Sie haben es auch in dem Buch, das Sie schon mehrmals erwähnt haben "Guten Tag, hier spricht Ihre Kapitänin", geschrieben, dass Sie als Tochter erlebt haben, wie Ihre Mutter nicht berufstätig war und Sie wollten es sein. Sie sagen jetzt, es war schwierig. Wann kam Ihnen in den Kopf, ich will sowas machen und ich will auch Karriere machen und es muss irgendwie gehen mit den Kindern?
Cordula Pflaum: Das Spannende war, oder mein Glück war, dass ich das wirklich als Kindheitstraum schon immer hatte, Pilotin, Astronautin zu werden mit elf.
Daniela Arnu: Und auch schon Mutter? Also war das auch klar?
Cordula Pflaum: Nein.
Daniela Arnu: Okay, also auf jeden Fall erstmal kam der Traum, Pilotin und Astronautin.
Cordula Pflaum: Und dann bin ich diesen Weg gegangen. Naja, und dann war ja erst mal auch die Frage: Finde ich das Pendant, mit dem ich das wirklich auch realisieren kann? Und als ich meinen Mann dann traf und wir uns einig waren, hat er zurückgesteckt in seiner Rolle damals beim SEK. Er hat dort Elternzeit als erster Mann genommen, als ich in dem Kapitäns-Upgrade war und hat mich so unterstützt.
Daniela Arnu: Wie sehen Ihre Töchter das? Die sind ja mittlerweile auch nicht mehr ganz jung. Also die sind in einem Alter, wo sie selber vielleicht schon über ihre Zukunft nachdenken. Wie sehen die das?
Cordula Pflaum: Also definitiv unterstützen sie meinen Weg. Sie sind jetzt 21 und 19, die zwei Mädels. Und klar war es damals nicht einfach. Sie sind in der sechsten Klasse. Beide wollten sie in ein Internat gehen. Vielleicht für mehr Regelmäßigkeit, aber einfach auch aufgrund der Möglichkeiten, die sie dort hatten. Die Beziehung ist sehr, sehr eng zu ihnen. Und sie wollen jetzt einfach auch erst mal Karriere machen in ihren Bereichen.
Daniela Arnu: Das heißt, Sie würden auch sagen, Sie haben es gerade vorhin angesprochen, Sie wollten auch gerne Vorbild für Ihre Kinder sein. Wollen Sie es für Frauen im Allgemeinen sein oder vor allem für Frauen, die gerne Pilotin werden wollen?
Cordula Pflaum: Für Frauen im Allgemeinen nicht Pilotin. Auch unsere Töchter wollen keine Pilotin werden. Das ist einfach nur das Exemplarische, woran ich es festmachen kann, weil ich kann ja auch nur meine Geschichte erzählen.
Daniela Arnu: Ihre Geschichte bedeutet, dass Sie eben innerhalb der Firma aufgestiegen sind, eben bis zur Kapitänin, aber eben auch bis zur Ausbildnerin und auch der Ausbildnerin für Ausbilder, also die oberste Stufe. Was machen Sie anders als möglicherweise die Männer, die da um Sie rum sind im Bereich der Ausbildung?
Cordula Pflaum: Ich glaube, das ist bei mir ein wenig Herzblut. Liegt in der Familie. Ich komme aus einer Pfarrersfamilie. Mein Vater war auch als Volkswirt immer im Personalwesen, im Organisationswesen unterwegs.
Daniela Arnu: Wäre auch gern geflogen.
Cordula Pflaum: Ja, er wäre auch gern geflogen, konnte aber nicht wegen seiner Augen. Er hat mir, glaube ich, viele Geschichten erzählt. Und aufgrund dessen liegt mir Training am Herzen. Ich bilde gerne weiter. Ich gebe gerne Dinge weiter. Und ich tue es gerne wohlwollend.
Daniela Arnu: Wohlwollend ist ein schöner Begriff. Sie selber haben erfahren, dass es sehr, sehr streng war, um es euphemistisch zu sagen, oder?
Cordula Pflaum: Genau. Leider bis zum heutigen Tag gibt es diese Ausreißer, ja.
Daniela Arnu: Und wie gut setzt sich das denn durch? Wie gut setzt sich durch, dass Sie auch in Ihrer Firma sagen können: Nicht nur ich möchte wohlwollend mit den Menschen arbeiten und stärkend, anstatt immer nur streng und kritisch und vielleicht auch mal laut. Wie setzt sich das durch?
Cordula Pflaum: Das setzt sich sehr stark durch. Ich bin jetzt seit 15 Jahren bestimmt in dieser Ausbilderschiene und trainiere auch neue Ausbildungskapitäne und Kapitäninnen und Crewpiloten. Und wir trainieren positiv verstärkend, dass wir eine Atmosphäre schaffen, in dem man bestmöglich trainieren kann. Und das geben wir schon lange weiter. Und wenn ich meine Kollegen frage, dann höre ich, dass das schon Einzug gefunden hat.
Daniela Arnu: Streng ist ja trotzdem wichtig. Wie gelingt Ihnen das? Denn es geht ja nicht um irgendwas, sondern wenn die im Cockpit sitzen, dann sollte ja alles funktionieren. Wie schaffen Sie mit dieser wohlwollenden Art, aber auch klar zu machen, da darf wirklich nichts passieren?
Cordula Pflaum: Das Stichwort kam gerade. Auch etwas, was ich gerne sage, klar in der Sache zu sein und weich zu Menschen. Man kann das ganz klar trennen. Und was uns dabei hilft, ist die Art und Weise, wie wir trainieren. Wir trainieren kompetenzbasiert. Das heißt, wir haben ganz genaue Verhaltensbeschreibungen, auch sehr viel im interpersonellen Bereich. Marker, die wir unseren Kollegen vorlegen können, wo wir sagen können: Schau, das wird von dir gefordert, das hast du gezeigt. Und worauf wir sehr stark pochen, dass wir wirklich nur das Verhalten bewerten. Und das macht unser Gehirn super gerne, dass es gleich auf irgendwelche Einstellungen und Gewohnheiten schließt und sofort weiß, wie der Mensch ist. Dem ist nicht so. Und wenn man sich darauf fokussiert, wenn wir das trainieren und wenn wir das immer wieder üben, dann kann man wirklich die Menschen anhand ihres Verhaltens wohlwollend und klar bewerten.
Daniela Arnu: Wir haben jetzt darüber gesprochen, wie es im Flugverkehr ist, wie es bei Ihnen in der Arbeit ist. Wie empfinden Sie es denn insgesamt, wenn Sie beobachten die Rolle der Frau heute, jetzt im Vergleich zu vielleicht vor 30 Jahren, als Sie mit Ihrer Ausbildung begonnen haben?
Cordula Pflaum: Ich empfinde die Frauen, gerade die jüngeren Frauen, als deutlich selbstbewusster. Und wenn ich meine Töchter anschaue, mit einem sehr hohen Selbstverständnis. Und ich höre dann öfter mal: Ach Mama, ihr mit euren Boomer-Gedanken, das ist alles nicht so. Und sie marschieren voran. Ich habe großes Vertrauen darin, dass sich da was ändert. Und dass auch wir unseren Teil dazu beitragen können, so einen Weg für die Frauen von heute, die jungen Frauen, zu ebnen.
Daniela Arnu: Sie haben das Buch schon erwähnt, "Guten Tag, hier spricht Ihre Kapitänin". Das ist der Titel. Warum ist dieser Titel so wichtig? Wann haben Sie zum ersten Mal gesagt: Guten Tag, hier spricht Ihre Kapitänin und nicht, hier spricht Ihr Kapitän?
Cordula Pflaum: Das hat wirklich sehr lange gedauert. Verrückt, ja. Ich würde sagen, vielleicht zwei, drei Jahre erst.
Daniela Arnu: Und warum hat es so lange gedauert?
Cordula Pflaum: Ich habe immer gesagt: Guten Tag, hier spricht Ihr Kapitän. Ich habe gesagt, na ja, die hören doch, dass ich eine Frau bin. Und eine gute Freundin, eine Sozialwissenschaftlerin, sagte zu mir, Cordula, Veränderung entsteht durch Sprache. Jetzt sag es endlich. Und sie hat natürlich recht. Wenn ich zum Beispiel meine Kollegen trainiere, dann geht es ja darum, mit passender Sprache positiv zu verstärken, diese Macht der Sprache zu nutzen. Und deswegen ist es vollkommen korrekt, das so zu tun.
Daniela Arnu: Was hat es im Umfeld bewirkt? Haben es andere Kolleginnen und Kollegen auch gemacht?
Cordula Pflaum: Es machen andere Kollegen. Denen fällt es auch leichter, den jüngeren Kollegen. Da sind wir wieder bei den Vorbildern. Vorbilder schaffen.Vorbild sein. Das möchte ich auch sein.Und mehr Vorbilder schaffen, die das einfach normalisieren.
Daniela Arnu: Gab es eine Veränderung der Reaktionen, als Sie zum ersten Mal Kapitänin gesagt haben?
Cordula Pflaum: Was ganz lustig ist — ich habe immer wieder Purser, Purseretten (= Flugbegleiterinnen, Anm. der Redaktion), die mich dann fragen: Wie möchtest du eigentlich genannt werden? Und ihnen fällt es genauso schwer. Das dauert einfach.
Daniela Arnu: Das dauert einfach, aber Sprache verändert Gesellschaft. Oder prägt Gesellschaft.
Cordula Pflaum: Ja, definitiv.
Daniela Arnu: Wir haben ja schon gesagt, Sie sind Ausbildnerin. Aber was man ja auch nicht vergessen darf, ist: Jedes Mal, wenn ein Flug startet, haben Sie ein neues Team. Und Sie haben keine Möglichkeit, immer Monate vorher eine Team-Building-Maßnahme zu ergreifen. Sondern es ist immer neu. Was sind da auch Ihre Stärken? Und was ist da so Ihr Fokus, wenn jedes Mal für einen Flug eine neue Mannschaft zusammenkommt, eine neue Frauschaft zusammenkommt, und die dann funktionieren muss auch?
Cordula Pflaum: Das ist sehr spannend. Auf dem Airbus 380 haben wir 23 Crewmember. Ich habe fünf Minuten Zeit, dieses Team zu bilden. Und das tue ich, indem ich ihnen auch erstmal Vorschusslorbeeren gebe. Ich schenke meiner Crew das Vertrauen, dass sie bestmöglich ihre Rolle ausüben. Und wenn sie das nicht tun, das ist sehr einfach in meinem Kontext, weil wir einfach ganz klare Rollenbeschreibungen haben, dann kann ich fragen, warum hast du das nicht gemacht. Und das kann ich auf wohlwollende Art und Weise machen. Das hilft mir einfach, wenn man deutlich mit den Menschen spricht, wenn man sie anspricht, und eben aber auch dieses Vertrauen ihnen entgegenbringt.
Daniela Arnu: Wie ist da die Reaktion drauf?
Cordula Pflaum: Ich höre öfter von den Kollegen, ja, dein Briefing war anders. Und eben versuche ich erstmal, ein Team zu bilden, mit wenigen Worten. Und es muss natürlich authentisch sein. Man muss mir das auch glauben und ich muss das auch wollen. Und ich tue das, weil ich weiß, der Mensch macht den Unterschied. Und wenn ich darin investiere, kann ich danach reibungsloser arbeiten.
Daniela Arnu: Wie haben Sie es denn erlebt, als Sie noch Co-Pilotin waren? Man sagt ja immer auf der linken Seite, links sitzt Kapitänin oder Kapitän, rechts Co-Pilot. Wie war es da? Haben Sie das so erlebt, wie Sie es jetzt selber machen? Gab es da ein Vorbild? Oder war das wirklich ein Neueinzug einer neuen Kultur?
Cordula Pflaum: Klar gab es die einen oder anderen Vorbilder. Es waren elf Jahre, bis ich Kapitänin wurde. nd da hat man natürlich unendlich viel Möglichkeit, zu gucken, wie macht es der Kollege, wie macht es der Kollege. Und dann sagt man, ja, so will ich, so will ich nicht. Da konnte man sich schon sehr viel Learning on the Job abschauen und überlegen, was macht man selbst. Und die Rückmeldungen sind positiv. Und deswegen gehe ich diesen Weg weiter.
Daniela Arnu: Und ja auch schon eine ganze Weile.
Cordula Pflaum: Und klar muss einfach sein, dass die fachliche Qualifikation da sein muss. Man muss seine Sachen gut können. Man muss die sichere Flugdurchführung als oberstes Ziel immer vor Augen haben. Und mit einem gut gebildeten Team lässt sich das auch wirklich mit allem, was da passiert, meistern.
Daniela Arnu: Sie haben auch in dem Buch beschrieben, wie groß der Unterschied dann ist, wenn man eben Kapitänin ist, wenn man dann wirklich die gesamte Verantwortung hat.Wo haben Sie diese Kraft her gehabt? Wo haben Sie dieses Selbstbewusstsein her, auch allein sich zu bewerben? Dieser sehr strenge Bewerbungsdurchlauf. Und dann aber eben auch im Laufe der Zeit auf so eine Position zu gehen, wo man weiß, ich bin auf einem Airbus 380 und ich habe die komplette Verantwortung. Ja, das ist auch spannend für einen selbst. Man hinterfragt sich ja immer wieder, woher kommt das?
Cordula Pflaum: Mein Glück ist wirklich, diese intrinsische Motivation zu haben. Und deswegen auch der Tipp an alle, wirklich den Weg zu gehen, wo sie merken, dass sie eine Begeisterung finden können. Das macht es einfach viel einfacher. Und das gibt mir die Kraft — nicht nur im fliegerischen Kontext, im Consulting-Kontext, im Trainingskontext. Mit dieser Energie kann ich all das gut bewältigen. Die Ausbildung an sich zur Pilotin war natürlich auch nochmal so gestrickt, dass alles wirklich toll aufeinander aufbaut. Man fängt an mit einem Einpropellerflugzeug, dann werden es zwei Propeller, dann ein kleiner Jet, dann ein großer Jet.
Daniela Arnu: Man merkt ihn an, die Faszination ist immer noch da.
Cordula Pflaum: Und von der Pike auf sitzt man da drin und macht die Arbeit. Wir machen die Arbeit so, wie wir sie beiggebracht bekommen haben. Und deswegen ist der Fokus auch da. Jeder von uns möchte das bestmöglich erfüllen. Und ob ich nun 100 oder 500 Gäste habe, ich möchte sie alle sicher ans Ziel bringen.Und darauf konzentriert man sich. Ich könnte auch immer noch an der Besucherterrasse stehen und den Flugzeugen zuschauen. Das begeistert mich einfach.
Daniela Arnu: Sie haben vorhin schon gesagt, dass Sie eben schon als Kind mit elf gesagt haben, Sie wollen Pilotin oder Astronautin werden. Was haben Ihre Eltern denn richtig gemacht, damit dieser Weg dann auch möglich war?
Cordula Pflaum: Ich glaube, sie haben uns einfach mitgegeben, macht das, wozu ihr Lust habt. Macht das, was ihr machen wollt. Geht euren Weg. Erfüllt eure Träume. Und sie haben mich dabei auch unterstützt.
Daniela Arnu: Hat es auch eine Rolle gespielt, dass Ihr Vater eben auch gerne mal Pilot geworden wäre und es aufgrund seiner Augen nicht werden konnte? Dass der dann auch nochmal unterstützt hat, dass Sie quasi so ein bisschen seinen Traum leben?
Cordula Pflaum: Ja, ganz bestimmt.
Daniela Arnu: Und wann sind Sie denn überhaupt mit Flugzeugen in Verbindung gekommen als Kind? Wie kam es zur elfjährigen Cordula, die gesagt hat, ich möchte Pilotin werden?
Cordula Pflaum: Das war schon da, bevor ich überhaupt mal in einem Flugzeug saß. Mein Vater hat mich dann bei einem Freund mal im Segelflieger mitgeschickt und hat gesagt:Guck doch mal, ob die das auch kann. Und da habe ich mich wohl nicht so blöd angestellt.Dann durfte ich mal zu meiner Patentante als UM fliegen, als unbegleitetes Kind. Und das war natürlich aufregend. Und dann war eigentlich der nächste Flug erst zum Eignungstest nach Hamburg bei der Lufthansa.
Daniela Arnu: Aber der Traum war schon immer da und es hat sich bestätigt, dass Sie es einfach sehr, sehr gerne mögen. Ohne eigentlich zu wissen, wie das Leben später mal sein wird. Also das ist ja auch ganz spannend.
Cordula Pflaum: Ich wollte immer Pilotin werden, ohne zu wissen, wie wird mal das Leben mit monatlichen Dienstplänen? Wie kann man sich organisieren? Wie kann man eine Familie haben? Über all das habe ich nicht nachgedacht.
Daniela Arnu: Bei Ihnen ist es ja wirklich mehr oder weniger ziemlich rund gelaufen. Auch durch sehr große Anstrengungen, die Sie selber dafür auch aufgebracht haben.Was sagen Sie denn zum Thema, wenn wir jetzt heute hier sagen, liebe Frauen, macht das, worauf ihr Lust habt. Aber es gibt ein Scheitern dazwischen. Es gibt was, wo man vielleicht diese Bewerbung nicht schafft oder wo man den Job, den man möchte, nicht bekommt.Was sagen Sie diesen Frauen?
Cordula Pflaum: Den Frauen sage ich, dass sie versuchen sollen, sich bestmöglich darauf vorzubereiten. Und wenn sie dann scheitern, was natürlich passieren kann, also auch diese Eignung zur Pilotin war eine ganz spezielle Eignung. Ich konnte das im Alltag nicht feststellen, ob ich die habe oder nicht. Dann zu überlegen, wo möchte ich hin. Aber auch einfach über den Tellerrand zu schauen. Sich auch Alternativen suchen, falls man an einer Stelle scheitert.
Daniela Arnu: Haben Sie wirklich nach allem geschaut, was da geht? Haben Sie vielleicht auch über Netzwerke, die Sie gebildet haben, Informationen bekommen?
Cordula Pflaum: Das merke ich wirklich ganz extrem, dass man damit viel erreichen kann.
Daniela Arnu: Das heißt, Sie geben Ihren Töchtern mit?
Cordula Pflaum: Ich gebe meinen Töchtern mit. Die Welt ist offen für alles. Dass Sie sich vieles anschauen. Ich habe Sie sehr oft dabei gehabt. Sie haben schon viele verschiedene Kulturen kennenlernen dürfen. Das hat mir immer sehr geholfen und das rate ich Ihnen auch. Was sehr spannend ist, als ich in Ihrem Alter war, habe ich zu meinem Vater immer gesagt: Ach diese Netzwerke, das braucht man alles gar nicht. Und merke selbst, wie schön es ist und wie gut es ist, sie zu haben. Auch einige Frauennetzwerke. Ich bin ja bei Frauen in deutscher Aufsichtsräte und ich merke, es ist so schön, wie wir zusammenarbeiten. Das war früher anders. Wobei, ich habe schon mal gejobbt in so einem Callcenter früher, wo wir irgendwelche Kaffeeautomaten Termine für Vertreter gemacht haben. Und auch da, Frauen können super toll zusammenarbeiten.
Daniela Arnu: Das ist doch ein wunderschönes Schlusswort. Denn Bayerns Frauen ist auch ein Frauennetzwerk und Sie sind eine von "Bayerns Frauen. Jede anders stark." Cordula Pflaum. Die Pilotin ist in einem Airbus, nicht nur, aber auch. Und der nächste Flug geht wohin?
Cordula Pflaum: Nach Bangkok am Sonntag.
Daniela Arnu: Okay, dann wünschen wir Ihnen einen guten Flug und schön, dass Sie heute hier für "Bayerns Frauen. Jede anders stark" für den Podcast bei uns sind.
Cordula Pflaum: Vielen Dank.
Daniela Arnu: Und wenn Sie noch weitere Geschichten von Bayerns Frauen hören möchten, dann finden Sie die auf www.bayernsfrauen.de.Dort sind auch noch Porträts vieler anderer Frauen und eben einige Podcasts dieser tollen, starken Frauen.
Bildergalerie: Cordula Pflaum
Cordula Pflaum: Meine Botschaft …
Traut euch. Seid mutig. Habt Selbstvertrauen. Ihr könnt es!
Die Macht der Sprache nutzen. Deutlich sprechen. Sagen, was man denkt. Raus damit!
Wohlwollend, vertrauend den Flug durchführen.