Ein Wiedersehen mit der „Zauberflöte“

Es muss ein sehr berührender Moment gewesen sein: 1946 führte eine Handvoll Kinder und Jugendlicher in der Orangerie im Erlanger Schlossgarten eine Kurzfassung von Mozarts „Zauberflöte“ auf. Das Besondere war nicht nur die Oper selbst, die wegen ihrer Bezüge zum Freimaurertum unter den Nationalsozialisten verpönt gewesen war. Auch die Leiterin der Aufführung, Léonie Mendelssohn-Bartholdy, hatte Jahre der Ächtung hinter sich.

Die aus Köln stammende Pianistin und Musikpädagogin hatte 1911 in die berühmte Musiker- und Bankiersfamilie Mendelssohn-Bartholdy eingeheiratet. Mit ihrem Mann war sie noch im gleichen Jahr nach Erlangen-Burgberg gezogen und hatte 1912 und 1914 zwei Kinder zur Welt gebracht. Trotzdem hörte sie nie auf, Klavier-Unterricht und Konzerte zu geben.

Wegen der jüdischen Abstammung ihres Mannes, der 1940 an einem Hirnschlag starb, blieben ab 1933 allerdings die Schüler aus. Léonie Mendelssohn-Bartholdy nutzte die Zeit, um – sogar noch während der Bombenangriffe im Krieg – Stücke zu komponieren. 
 

Vorstoß in eine Männerdomäne

Diese Musikstücke waren vor allem für Aufführungen mit Kindern bestimmt. Daneben entstanden aber auch Werke für Klavier oder für ein Streichquartett. Damit verließ Léonie Mendelssohn-Bartholdy mit über 60 den Bereich in der Musik, der für Frauen akzeptiert war. Stattdessen drang sie weit in eine Welt vor, die traditionell fest in Männerhand war. Davon ließ sie sich nicht abschrecken.

Unbeirrt behielt sie ihre Kompositionstätigkeit bis weit in die 1960er Jahre bei. Modernste Trends der ernsten Musik, beispielsweise die stark auf Tonreihungen setzende serielle Musik, bezog sie in ihr Werk ein. Sie gründete ein junges Kammerorchester. Eine von ihr komponierte Fuge gewann sogar einen Musikpreis in Bremen.

Heute werden die Kompositionen von Léonie Mendelssohn-Bartholdy kaum noch aufgeführt. Doch ihr Mut und ihre Gabe, andere für die Musik zu begeistern, sind auch vierzig Jahre nach ihrem Tod inspirierend.
 

Quellen- und Literaturhinweise

Patzke, Helmut: Léonie Mendelssohn Bartholdy. In: Meidinger-Geise, Inge (Hrsg.): Frauengestalten in Franken. Würzburg, 1985. S. 224 - 228