Gunild Keetman: Die Schöpferische
Sie drängte sich nie in die erste Reihe. Dennoch hatte die Komponistin und Musikpädagogin Gunild Keetman an dem Erziehungskonzept, das heute als „Orff-Schulwerk“ bezeichnet wird, ebenso großen Anteil wie der namensgebende Komponist. Auch sonst wird ihr Werk bis heute unterschätzt.


Steckbrief
- Name
- Gunild Keetman
- Geboren
- 1904 in Elberfeld
- Gestorben
- 1990 in Breitbrunn am Chiemsee
- Wichtige Stationen
-
Zeitraum Tätigkeit 1926–1944: Studium, anschließend Mitarbeit an der „Günther-Schule“ für Rhythmus und Tanz in München 1949–1954: Vebreitung des „Orff-Schulwerks“ als Konzept für die Musikerziehung von Kindern 1970–1990: Herausgabe des Buchs „Elementaria“ zum Umgang mit dem Orff-Schulwerk, Flötenwerke - Zeitalter
- Wirtschaftswunderjahre
- Wirkungsfeld
- Bildung und Erziehung, Musik und Theater
- Frauenort
-
Breitbrunn am Chiemsee
Klang, Takt und Bewegung
Glockenspiel und Xylophon, Trommeln, Triangeln und Klangstäbe: Heute sind sie aus der musikalischen Früherziehung nicht mehr wegzudenken. Das dahinterstehende bahnbrechende Konzept entstand in den 1920er Jahren: Lernende sollten durch Sprache und Bewegung Rhythmen als natürliche Taktgeber erfahren. Gemeinsames Spielen auf einfachen Instrumenten sollte diese Wahrnehmung verfestigen.
Seit fast hundert Jahren ist dieser Ansatz als „Orff-Schulwerk“ bekannt, benannt nach dem Komponisten Carl Orff. Doch dessen Mitarbeiterin Gunild Keetman hatte an der Entwicklung des Schulwerks großen Anteil.
Aufgewachsen in Wuppertal, kam sie mit 22 an die von der Tanzpädagogin Dorothee Günther und Carl Orff gegründete „Günther-Schule“ in München. Gunild Keetman war sofort Feuer und Flamme. In diesem neuen Miteinander von Bewegung, Rhythmus und Klang entdeckte sie für sich selbst die perfekte Ausdrucksform. Nach ihrer Ausbildung blieb sie an der „Günther-Schule“, unterrichtete Schüler und komponierte Stücke für die hauseigene Tanzgruppe.
„Niemand kann es wie du!“
Der Komponist Carl Orff über Gunild Keetmans Fähigkeit, die Grundlagen des Orff-Schulwerks anderen nahezubringen
Mit dem Schulwerk um die Welt
Als Dorothee Günther sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in der NSDAP anmeldete, widersprach Gunild Keetman nicht. Und als Carl Orff eingeladen wurde, für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin einen Reigen zu komponieren, schrieb Gunild Keetman das Stück für ihn. Sie dirigierte es auch bei der Eröffnungsfeier. Dies lässt sie zumindest als Mitläuferin erscheinen. Doch 1937 wurde sie aus der NSDAP ausgeschlossen, weil sie ihren Mitgliedsausweis nie abgeholt hatte. Möglicherweise hat sie sich vor allem aus Treue gegenüber Dorothee Günther und Carl Orff dem Regime nicht stärker widersetzt. Sie nahm von beiden auch andere Zumutungen in Kauf – zum Beispiel, dass der Komponist sie nicht oder erst sehr spät als eigentliche Urheberin einiger Stücke nannte. Trotzdem blieb sie eng mit ihm befreundet.
Nach dem Krieg war es vor allem Gunild Keetman, die das Orff-Schulwerk in ein Standardwerk zur Musikerziehung von Kindern umarbeitete. Sie machte es durch unzählige Aufführungen weltweit bekannt. Erst mit weit über 60 zog sie sich in ihre Mühle in Breitbrunn zurück.
„Gunild Keetman war die geborene Pädagogin, ohne deren Lebenswerk sich die gesamte Orff-Schulbewegung niemals entwickelt hätte.“ Isabel McNeill Carley, US-amerikanische Komponistin und Musiklehrerin
Der Komponist Carl Orff über Gunild Keetmans Fähigkeit, die Grundlagen des Orff-Schulwerks anderen nahezubringen
Quellen- und Literaturhinweise
Cornelia Fischer: Gunild Keetman und das Orff-Schulwerk. Mainz, 2009