Lydia Kleyer: Die Überzeugte

Frühkindliche Bildung? Als Lydia Kleyer ihren Kindergarten eröffnete, hielten das viele Menschen noch für Unsinn. Doch die Erzieherin verteidigte ihre Idee gegen alle Anfeindungen. Noch heute schwärmen viele Memminger von „Tante Lydia“.

Stadtansicht Memmingen
iStock/bbsferrari
Illustration Porträt von Lydia Kleyer

Steckbrief

Name
Lydia Kleyer
Geboren
1896 in Memmingen
Gestorben
1983 in Memmingen
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1914–1916:Ausbildung zur Erzieherin in Stuttgart
1916:Gründung eines Kindergartens mit Ausrichtung auf die Ideen des Pädagogen Friedrich Fröbel
1971:Verabschiedung in den Ruhestand nach 55 Jahren
Zeitalter
NS-Zeit
Wirkungsfeld
Bildung und Erziehung
Frauenort
Memmingen Kartenvorschau Memmingen.

Einsatz für ein neues Erziehungskonzept

Außer für ihre Ausbildung hat Lydia Kleyer ihre Heimatstadt nie verlassen. Und trotzdem ist sie, weit über Memmingen hinaus, ein eindrucksvolles Beispiel für eine Frau, die sich von ihren Überzeugungen nie abbringen ließ. Denn Lydia Kleyer entschloss sich zu einer Zeit, einen Kindergarten zu eröffnen, in der kaum jemand frühkindliche Bildung ernst nahm. Von Anfang an muss sie klare Vorstellungen gehabt haben. Denn sie lernte ihren Beruf an einem Seminar in Stuttgart, das sich an den Richtlinien Friedrich Fröbels orientierte. 

Dieser hatte bereits im 19. Jahrhundert erkannt, wie wichtig Bildung für Kinder bereits weit vor der Einschulung war. Und er fand heraus, dass sie gerade in diesem Alter viel mehr durch Spielen begreifen als durch wortreiche Belehrungen. So viel Freizügigkeit erschien seinerzeit so gefährlich, dass Fröbel-Kindergärten über Jahrzehnte hinweg verboten waren. Als Lydia Kleyer 1916 einen solchen Kindergarten in Memmingen eröffnete, waren diese Ideen für viele noch immer Neuland.

„Tante Lydia“ war stadtbekannt 

Die Gesellschaft sah Kindergärten eher als Bewahranstalten für den Nachwuchs armer Familien, in denen auch die Mütter arbeiten gehen mussten. Die Idee, dass eine solche Einrichtung Kindern helfen könnte, ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit zu entfalten, setzte sich erst allmählich durch – auch dank der unermüdlichen Arbeit von Erzieherinnen wie Lydia Kleyer. 

Ihr Kindergarten gewann in den 1920er Jahren an Zulauf und Ansehen. Das Blatt wendete sich allerdings mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Sie wollten Lydia Kleyers Einrichtung mehrfach übernehmen und deren Ausrichtung ändern. Anstelle von Spiel sollte nun Gehorsam die oberste Richtschnur werden. Doch obwohl es für sie mit finanziellen Einbußen verbunden war, blieb Lydia Kleyer ihren Prinzipien treu.

Generationen von Memmingern kannten Lydia Kleyer nur als „Tante Lydia“, bis sie mit 75 Jahren in den Ruhestand ging. Selbst als aus den USA ein Brief eintraf, der an „Tante Lydia in Memmingen“ adressiert war, erreichte er seine Empfängerin ohne jeden Umweg.

Quellen- und Literaturhinweise

Frauengeschichtswerkstatt Memmingen (Hrsg.): Memminger Frauen – Biographien. Geschichten. Bilder. S. 78/79