Erika Lindner: Die Zauberhafte

Mit 17 brach die Memmingerin Erika Lindner auf, um modernen Tanz zu studieren. Danach wurde sie auf den Bühnen Berlins gefeiert. Mit 40 gründete sie zuhause im Allgäu ihr eigenes Tanzinstitut und unterrichtete Schülerinnen und Schüler aus ganz Europa.

Stadtansicht Memmingen
iStock/bbsferrari
Illustration Porträt von Erika Lindner

Steckbrief

Name
Erika Lindner
Geboren
1908 in Nürnberg
Gestorben
1988 in München
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1933–1939 :Solotänzerin und Ballettmeisterin an der Berliner Staatsoper und Volksoper
1940–1945: Differenzen mit dem NS-Regime, Rückkehr nach Memmingen, die Heimatstadt ihrer Mutter
1948–1964:Aufbau der Erika Lindner-Schule für Bühnentanz und Tanzpädagogik
Zeitalter
Wirtschaftswunderjahre
Wirkungsfeld
Musik und Theater
Frauenort
Memmingen Kartenvorschau Memmingen.

Tanz in einer ganz neuen Form

Zu der Zeit, in der Erika Lindner Tanz studierte, war alles im Umbruch: Die bildende Kunst beschritt in den 1920er Jahren neue Wege. Im Theater eroberten politische Inhalte die Bühnen. Und der Tanz entdeckte die Schönheit natürlicher Bewegungen. Das in Memmingen aufgewachsene Mädchen war davon so begeistert, dass es mit 17 das Gymnasium abbrach, um in Dresden die fortschrittlichste Tanzschule dieser Epoche zu besuchen. 

Ihren ersten Erfolg feierte Erika Lindner mit 24: 1932 trat sie bei den Salzburger Festspielen auf. Die begeisterten Kritiken ebneten ihr den Weg an die großen Theater Berlins. 1933 änderte sich für sie zunächst nicht viel: Die Nationalsozialisten verboten zwar in Malerei und Bildhauerei, Musik und Theater alles, was ihnen nicht linientreu erschien. Tänzerinnen und Tänzer, die sich mit der Partei arrangierten, standen hingegen ungeahnte Möglichkeiten offen. Viele ergriffen sie – auch Erika Lindner. Erst 1939 brach sie mit dem Regime, legte ihre offiziellen Ämter nieder und zog zurück nach Memmingen.

„Die junge, wunderhübsche Tänzerin ist im Begriff, Berlin zu erobern – nicht mit wild-erotischen Tänzen oder pikanten Skandalgeschichten, (…), sondern durch ihre einfache, reine Kunst, die ihr Publikum bezaubert.“

Aus einem Berliner Pressebericht, 1930er Jahre

Keine Angst vor einem Neuanfang 

Mit ihren zwei Kindern wartete sie dort auf die Heimkehr ihres Ehemanns, des Malers und Graphikers Ulrich Franke, aus dem Krieg. Mit seiner Unterstützung konnte sie noch einmal neu beginnen: 1948 gründete sie die Erika Lindner-Schule für Bühnentanz und Tanzpädagogik. Mit ihr weckte sie nicht nur die Tanzbegeisterung junger Memmingerinnen und Memminger. Tänzerinnen und Tänzer aus ganz Deutschland und aus einigen Nachbarländern ließen sich bei ihr bis zur Bühnenreife ausbilden. 

Die 1950er Jahre waren, was das Tanztheater betraf, erneut eine Zeit des Aufbruchs. Auch dieses Mal wollte Erika Lindner dabei sein: Mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern gründete sie ein Tanzensemble, für das sie moderne Ballette konzipierte. 

Dieses „Deutsche Ballett-Theater“ gastierte in großen deutschen Städten, aber auch im Ausland, unter anderem in Madrid. Erst mit 66, in einem für eine Tänzerin sehr hohen Alter, schloss Erika Lindner ihre Schule und zog sich ins Privatleben zurück.
 

„Der Reichtum ihrer Gestik, die Genauigkeit ihrer Bewegungen, besonders das beseelte Spiel ihrer Hände (…) erleichterten dem Zuschauer das Mitgehen und Mitempfinden.“

Memminger Zeitung, 11. Mai 1950

Quellen- und Literaturhinweise

Frauengeschichtswerkstatt Memmingen: Memminger Frauen – Biografien. Geschichten. Bilder. Mering, 2012