Amalie Hohenester: Die „Doktorbäuerin“
Aus einem kriminellen Umfeld schaffte Amalie Hohenester den Schritt zu einer sinnvollen Tätigkeit: Sie setzte ihr Wissen zu Kräutern und Krankheiten ein, um Menschen gegen Spenden zu helfen. Das war zu ihrer Zeit verboten. Dennoch gelang es ihr, ein Kurbad zu gründen.


Steckbrief
- Name
- Amalie Hohenester
- Geboren
- 1827 in Vaterstetten
- Gestorben
- 1878 in Mariabrunn
- Wichtige Stationen
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Zeitraum Tätigkeit 1844: Festnahme wegen „liederlichen Lebenswandels“, weitere Festnahmen in den Folgejahren 1861: Heirat mit Benedikt Hohenester, erste „Praxis“ auf dem Bauernhof der Familie 1862: Kauf des Guts Mariabrunn, Aufbau einer blühenden Kurklinik - Zeitalter
- 1848 & Folgejahre
- Wirkungsfeld
- Gesundheit
- Frauenort
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Mariabrunn bei Dachau
Ein ganz besonderes Talent
Ein in ganz Europa bekanntes Kurbad zu führen war Amalie Hohenester nicht in die Wiege gelegt. Geboren wurde sie als zwölftes Kind einer Familie, die von kriminellen Machenschaften lebte. Einer ihrer Brüder war ein bayernweit gesuchter Räuber. Auch sie selbst kannte Gefängnisse vor allem von Innen.
Dabei hatte sie ein ganz besonderes Talent: Von ihrer Großmutter hatte sie gelernt, mit Kräutermedizin kranke Tiere zu heilen. Auf diese Kenntnisse besann sie sich, als sie mit 31 Jahren beschloss, ihr Leben zu ändern. Sie heiratete einen Deisenhofener Bauern und begann, als „Doktorbäuerin“ Kranke mit Heilkräutern zu kurieren. Ihr Lohn bestand in Geschenken, die ihr ihre Patientinnen und Patienten machten.
Amalie Hohenesters Heilerfolge sprachen sich schnell herum. Die Menschen kamen in Scharen, selbst aus München. Doch auch diese Tätigkeit rief die Polizei auf den Plan: Durch Kräuterwissen Kranke zu kurieren war als „Pfuscherei“ verboten. Die Situation spitzte sich so zu, dass sich das Ehepaar Hohenester für einen Ortswechsel entschied.
„Verblüffend war es (…) für den Patienten, wenn sie keineswegs nach seinem Befinden frug, sondern, bevor er ein Wort gesprochen, ihn ins Auge fassend, im Haarklein seinen ganzen Zustand, jedes kleine oder große Leiden (…) vorzählte.“
Aus einem Nachruf auf Amalie Hohenester im Dachauer Amperboten, Anfang April 1878
Patienten aus ganz Europa
1863 kauften Amalie und Benedikt Hohenester das herabgewirtschaftete Heilbad Mariabrunn bei Dachau. Um sich das Gericht vom Leib zu halten, stellten sie Kurärzte ein. In Wahrheit aber war es nach wie vor Amalie Hohenester, die die Diagnosen stellte und die Medikamente zubereitete. Es kam zu weiteren Anklagen – nicht durch Patientinnen oder Patienten, die sich betrogen fühlten, sondern durch Ärzte aus München und Umgebung, die die Konkurrenz loswerden wollten.
1872 fiel das staatliche „Pfuscherei“-Verbot. Es herrschte „Kurierfreiheit“. Amalie Hohenester konnte offen mit ihren Fähigkeiten werben. Nun rannten ihr vermögende, adelige und internationale Gäste buchstäblich das Kurbad ein. Die „Doktorbäuerin“ arbeitete rund um die Uhr. Denn sie bestand darauf, nach wie vor alle Patienten persönlich in Augenschein zu nehmen und sämtliche Arzneien selbst zu mischen. Lange hielt sie dieses Pensum nicht durch: 1878 starb sie, völlig unerwartet, mit nur 51 Jahren.
„Ihre Menschenkenntnis war vielleicht noch größer als ihre Heilkunde.“
Aus einem Nachruf im Dachauer Amperboten
Quellen- und Literaturhinweise
Gebhard, Georg: Amalie & Benedikt Hohenester. Bauern, Wirte, Badbesitzer. Olching, 2019