Hope Bridges Adams Lehmann: Die Vorwärtsgewandte

Die umtriebige Ärztin Hope Bridges Adams Lehmann war nicht nur die erste Frau, die in Deutschland ein Medizinstudium mit einem Staatsexamen abschloss. Sie entwickelte auch kluge Ideen für eine gute frauenmedizinische Versorgung und ein eheliches Zusammenleben auf Augenhöhe.

Stadtansicht München
iStock/Luftaufnahme Bayern
Illustration Porträt von Bridges Adams Lehmann

Steckbrief

Name
Hope Bridges Adams Lehmann
Geboren
1855 in Halliford bei London
Gestorben
1916 in München
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1876–1881:Medizinstudium, zunächst als Gasthörerin, in Leipzig, Promotion in Bern
1881–1893 :Heirat mit dem Arzt Otto Walther, gemeinsames Führen einer Praxis und eines Sanatoriums
1896:Heirat mit Carl Lehmann, Umzug nach München, Veröffentlichung von „Das Frauenbuch“
Zeitalter
Frauenbewegung
Wirkungsfeld
Gesundheit
Frauenort
München Kartengrafik mit markiertem Ort München.

Ein Studium gegen alle Widerstände

Wer sich mit dem Leben und den Ansichten von Hope Bridges Adams Lehmann beschäftigt, könnte sie für eine Frau des 21. Jahrhunderts halten: Sie arbeitete als Ärztin und fuhr Auto. Sie verließ ihren Mann für einen anderen und nahm die gemeinsamen Kinder mit. Und sie pochte auf ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Mann und Frau. Tatsächlich aber tat sie all dies vor über 120 Jahren.

Nach dem Tod des Vaters 1872 zog die gebürtige Engländerin nach Deutschland und schrieb sich als Gasthörerin für Medizin an der Universität Leipzig ein. Ein reguläres Studium war für Frauen zu dieser Zeit nicht möglich. Doch Hope Bridges Adams Lehmann erstritt sich die Möglichkeit, an Prüfungen teilnehmen zu dürfen. 1880 war sie die erste Frau in Deutschland, die ein Medizinstudium mit Staatsexamen abschloss. In Dublin wurde ihr 1881 die britische Zulassung als Ärztin erteilt. Im gleichen Jahr zog sie nach Frankfurt und heiratete ihren Leipziger Mitstudenten Otto Walther. Das Ehepaar führte gemeinsam eine Praxis und bekam zwei Kinder.

„Ein kraftvoller, aufrechter, kluger Mensch; ihr Denken war groß und weit, ihre Seele klar und rein.“

Die Frauenrechtlerin Lida Gustava Heymann in einem Nachruf auf Hope Bridges Adams Lehmann, 1916

Ärztin und Kämpferin

Als Hope Bridges Adams Lehmann lungenkrank wurde, zog die Familie in den Schwarzwald und eröffnete ein Lungensanatorium. Dort lernte die Ärztin den zehn Jahre jüngeren Carl Lehmann kennen. Um ihn heiraten zu können, ließ sie sich scheiden. 1896 eröffnete sie eine Praxis in München und veröffentlichte „Das Frauenbuch“, das auf Anhieb ein Bestseller wurde. Denn es enthielt für damals unerhörte Themen – von der Sexualität bis zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten. 

Ihr Bemühen um eine gute Gesundheitsversorgung für Frauen gipfelte in Plänen für ein „Frauenheim“, einer großen Geburtsklinik. 1914 waren alle Vorbereitungen getroffen. Da wurde der Medizinerin vorgeworfen, unerlaubte Abtreibungen vorgenommen zu haben. Tatsächlich hatte sie einigen Not leidenden Patientinnen mit Schwangerschaftsabbrüchen geholfen und so gegen das Gesetz verstoßen. 

Statt einzulenken, behielt sie ihren Standpunkt bei und ruinierte so ihr Herzensprojekt und ihren ärztlichen Ruf. Heute entspricht ihre damalige Herangehensweise im Wesentlichen der gängigen Praxis im Umgang mit diesem noch immer schwierigen Thema. 
 

„In einer besseren Zeit werden sich Vater und Mutter bei der Kinderpflege unterstützen und ablösen. Nur so wird der Geist des Vaters in vollem Umfang auf das Kind einwirken, nur so wird der Vater dahinterkommen, was Kinderpflege eigentlich bedeutet.“

Hope Bridges Adams Lehmann, „Das Frauenbuch“, 1896

Quellen- und Literaturhinweise

Krauss, Marita: Hope. Dr. Hope Bridges  Adams Lehmann – Ärztin und Visionärin. München, 2009

Kerckhoff, Annette: Heilende Frauen. München, 2010