Ein Leben zwischen Geistesgrößen 

Mehr als 200 Jahre lang stand Lulu Brentano im Schatten ihrer berühmten Geschwister: Clemens Brentano zählt bis heute zu den wichtigsten Dichtern der Romantik. Und Bettina, die den Dichter Achim von Arnim heiratete, machte sich als Schriftstellerin, Zeichnerin und Komponistin einen Namen. Dabei verlief das Leben von Lulu mindestens ebenso wendungsreich und aufsehenerregend.

Auch sie hatte von ihrer Großmutter Sophie von La Roche ein ausgeprägtes schriftstellerisches Talent geerbt und bewegte sich in hochgebildeten Kreisen. So kannte sie den Dichter Johann Wolfgang von Goethe, den Forscher Wilhelm von Humboldt und die Märchensammler Wilhelm und Jacob Grimm. Dennoch heiratete sie mit 18 keinen Schöngeist, sondern einen Bankier. Mit ihm lebte sie in Kassel, später dann in Paris. In ihrem dortigen Salon waren die führenden Köpfe ihrer Zeit zu Gast. 

„Der Goethe ist hier und hat mich gestern dreimal geküsst. Und doch bin ich gar nicht mehr so liebenswürdig als sonst.“

Lulu Brentano in einem Brief vom Oktober 1814 an ihren Schwager Friedrich Carl von Savigny

Sozial und politisch engagiert 

Trotzdem war die Ehe nicht glücklich. Weil ihr Mann ihr häufig untreu war, kämpfte Lulu Brentano lange für eine Scheidung. 1824 wurde sie vom Papst genehmigt. Drei Jahre später heiratete sie einen Geschäftspartner ihres Ex-Mannes, der jedoch 1831 starb. Klug und umsichtig führte sie dessen Geschäfte in Paris erfolgreich weiter, knüpfte aber auch wieder engere Beziehungen zu ihrer alten Heimat.

1845 kaufte sie Schloss Wasserlos in Alzenau, das sie zu einem Hofgut mit über 100 Angestellten ausbaute. Viele Familien aus der Umgebung fanden hier Arbeit und Brot. Als um 1850 eine große Hungersnot ausbrach, ließ sie dort eine Küche zur Versorgung von Hilfsbedürftigen einrichten. 

Auch politisch war diese mutige Frau aktiv. So nahm sie 1848 in der Frankfurter Paulskirche an der Eröffnungssitzung des ersten Parlaments mit Vertretern aus ganz Deutschland teil. Und sie begann zu schreiben, verfasste „Geistliche Lieder“ und Kinderlieder. Dennoch geriet ihr bewegtes Leben in Vergessenheit. Erst in jüngster Zeit findet es wieder die Beachtung, die es verdient.

„Solltest du einmal von einem vorteilhaften Güterverkauf hören, so lass mich es wissen. Ich meine, es sei vielleicht gut, im Bayerischen etwas zu besitzen.“

Lulu Brentano 1843 an ihren Bruder Christian, ein Jahr vor dem Kauf von Schloss Wasserlos

Quellen- und Literaturhinweise

Walter Scharwies: Lulu Brentano – Eine „curiose“ Lebensgeschichte erzählt in Briefen. Wiesbaden, 2021