Anna Meilhamer: Die Ungezähmte
Alles hinter sich zu lassen und auf einem anderen Kontinent einen Neustart zu wagen: Hierzu fand Anna Meilhamer den Mut. Sie wanderte 1927 nach New York aus und zog später in den Süden, an die mexikanische Grenze. Dort lebte sie allein in der Wildnis, bis sie mit 41 ihrem Lungenleiden erlag.


Steckbrief
- Name
- Anna Meilhamer
- Geboren
- 1899 in Stadlreit bei Pocking
- Gestorben
- 1940 in Socorro, New Mexico
- Wichtige Stationen
-
Zeitraum Tätigkeit 1915–1918: Schulbesuch in einem Kloster in Wien 1921–1927: Besuch der Kunstgewerbeschule in München, Tätigkeit als Sekretärin ab 1927: Auswanderung in die USA, Tätigkeit als Cowgirl in New Mexico - Zeitalter
- 1920er Jahre
- Wirkungsfeld
- Landwirtschaft
- Frauenort
-
Pocking
Auf nach Amerika!
Schon als Mädchen ließ sich Anna Meilhamer von ihren Plänen nicht abbringen. Sie selbst wollte nach der Volksschule weiterlernen. Ihr Vater, der sich aus ärmlichen Verhältnissen zum reichsten Mann der kleinen Stadt Pocking hochgearbeitet hatte, fand das völlig überflüssig. Also ging Anna Meilhamer 1915 in ein Kloster in Wien, um weiter die Schule besuchen zu können. Bald darauf allerdings brach bei ihr die Lungenkrankheit Tuberkulose aus. 1918 musste sie deshalb das Kloster verlassen.
Den Großteil der 1920er Jahre erlebte sie in München, schrieb sich erst bei der Kunstgewerbeschule ein und arbeitete dann als Sekretärin. Es waren wilde Zeiten: Die Inflation brachte die Menschen 1923 um ihr Hab und Gut. Und der gescheiterte Hitlerputsch im November des gleichen Jahres war nur der Gipfelpunkt schwelender, gewalttätiger Unruhen. Als Anna Meilhamers Bruder 1924 nach Kanada auswanderte, merkte auch sie selbst, dass ihr München, aber auch Europa zu eng geworden war. 1927 ging sie nach New York.
„Das letzte Mal in der Stadt bin ich gefragt worden, ob ich das Sterben im Sinn habe, weil ich dünner und dünner würde. (…) Ich habe mich aber lange Zeit nicht so gut gefühlt wie jetzt. (…) Es gibt wohl keinen Sport, der den Körper so trainiert, wie gerade das Reiten.“
Anna Meilhamer in einem Brief, 1932
Kühe hüten, Wölfe jagen
Die dortigen Wetterbedingungen allerdings ließen die Tuberkulose wieder aufflammen. Also zog sie in den US-Staat Neu Mexiko, nahe der mexikanischen Grenze. Das dortige trockene Höhenklima linderte ihre Beschwerden. Anna Meilhamer lebte als Einsiedlerin in einem abgelegenen Tal. Sie hielt Geflügel, hütete als Cowgirl das Vieh der Nachbarn, und sie jagte Wölfe und Stinktiere. Die Felle verkaufte sie an einen Pelzexperten in München. Eine Frau, die ganz alleine lebt und Männerarbeit verrichtet: So etwas war zu dieser Zeit selbst in einer so rauen Gegend wie New Mexico ungewöhnlich. Deshalb gab ihr ihre Umgebung den Spitznamen: Wild Bronco – ungezähmtes Pferd.
An ihre Familie daheim in Niederbayern schrieb sie hunderte von Briefen. Aus ihnen lässt sich schließen, dass Anna Meilhamer eine zuversichtliche und abenteuerlustige Frau war, die es liebte, im Einklang mit der Natur zu leben. Ihrer Krankheit allerdings konnte sie auf Dauer nicht entfliehen: 1940 starb sie in einem Sanatorium.
„Stinktiere kommen auch ins Haus. Da halt ich mich schön still. Von denen will ich kein Parfüm im Haus haben.“
Anna Meilhamer aus einem Brief, 1932