Annette Kolb: Die Aussöhnende
In den 1920er Jahren gehörte Annette Kolb zu den meistgelesenen Schriftstellerinnen und Schriftstellern Deutschlands. Ihr wichtigstes Anliegen aber, die Versöhnung von Frankreich und Deutschland, wurde als feindselig empfunden. Erst als hochbetagte Frau verschaffte sie sich damit wirklich Gehör.


Steckbrief
- Name
- Annette Kolb
- Geboren
- 1870 in München
- Gestorben
- 1967 in München
- Wichtige Stationen
-
Zeitraum Tätigkeit 1899–1912: Erste Veröffentlichungen, Erfolg des Romans „Das Exemplar“ 1923–1933: Umzug nach Badenweiler in der Pfalz, Annette Kolb gehört zu den führenden Köpfen der deutschen Literatur 1933–1945: Flucht aus Deutschland, Exil in Paris und New York - Zeitalter
- Nachkriegszeit
- Wirkungsfeld
- Literatur
- Frauenort
-
München
Eine Kindheit im Zwiespalt
Es war ein politisches Thema, das Annette Kolb ein Leben lang umtrieb: die Aussöhnung und Verständigung von Deutschland und Frankreich. Die tief empfundene Feindschaft, die beide Länder gegeneinander hegten, prägten bereits die Familiengeschichte, Kindheit und Jugend der Schriftstellerin. Ihr Vater war ein berühmter bayerischer Gartenarchitekt. Ihre Mutter, eine französische Pianistin, wäre gerne in ihre Heimat zurückgekehrt, konnte diesen Traum wegen der Feindseligkeit, die ihr dort als Frau eines Deutschen entgegenschlug, nie umsetzen.
Annette Kolb wuchs mit diesem inneren Zwiespalt auf, fühlte sich halb als Französin, halb als Deutsche. Ansonsten führte sie das Leben, das für eine „höhere Tochter“ dieser Zeit üblich war: Neben der Halb-Bildung, die die Schulausbildung vermittelte, lernte sie ausgezeichnet Klavier spielen und unternahm erste literarische Gehversuche. Die Veröffentlichung ihres ersten Buches „Kurze Aufsätze“ musste sie noch selbst finanzieren. Ihr Roman „Das Exemplar“ wurde 1912 zum Erfolg.
„Das bayerische Volk ist wieder, wie es war: friedliebend und ohne Hass für andere Völker.“
Annette Kolb anlässlich des München-Besuchs des französischen Staatsmanns Charles de Gaulle, 1962
Flucht vor den Nationalsozialisten
Immer wieder warb sie in ihren Texten auch für ihr besonderes Anliegen. Doch sowohl im Vorfeld des Ersten Weltkriegs als auch in den 1920er Jahren, wurde ihr Ruf nach einer deutsch-französischen Aussöhnung von vielen als Anfeindung wahrgenommen. Auch gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus schrieb und redete sie mit klaren Worten an. Als die Nazis 1933 die Macht übernahmen, musste Annette Kolb fliehen, erst nach Paris, dann nach New York.
Als sie dort anlangte, war sie bereits über 70. In den USA fühlte sie sich so fremd, dass sie bereits im Oktober 1945 nach Europa zurückkehrte. Kaum angekommen, begann sie erneut, für eine Versöhnung der Nachbarländer Deutschland und Frankreich zu werben. Erfolg hatte sie damit zunächst keinen. Doch Anfang der 1950er Jahre erklärte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer genau diese Aussöhnung zum zentralen Anliegen seiner Politik. Damit wurden die Ansätze der betagten Schriftstellerin brandaktuell. Annette Kolb blieb ein kritischer, politisch wacher Geist – bis zu ihrem Tod mit 97.
„Wer Annette Kolb nicht begegnet ist, hat die Bekanntschaft mit einer der wahrhaft großen Persönlichkeiten unserer Zeit versäumt. Sie ragt wie ein Monument aus der Wirrnis der Zeiten.“
Der Verleger Gottfried Bermann Fischer über Annette Kolb
Quellen- und Literaturhinweise
Buettner, Anke: Ich habe etwas zu sagen. Zum 150. Geburtstag der Münchner Femme des lettres, Pazifistin und Exilantin. In: Bibliotheksforum Bayern. Bd 14, 2020, S. 52 – 55, abgerufen am 13. April 2025.
Strohmeyr, Armin: Annette Kolb. Dichterin zwischen den Völkern. München 2002/2017.