Von der Witwe zur Händlerin
Eigentlich war das Leben jüdischer Frauen im 17. Jahrhundert von familiären und religiösen Pflichten geprägt. Und es spielte sich großenteils im häuslichen Umfeld ab. Umso ungewöhnlicher sind der Mut und auch der Geschäftssinn der jüdischen Kaufmanns-Ehefrau Esther.
Als ihr Ehemann Jonas Michael 1670 auf einer Reise von Räubern überfallen und erschlagen wurde, suchte sie sich keinen neuen Ernährer. Stattdessen nahm sie ihr Schicksal selbst in die Hand und führte das Geschäft ihres Mannes alleine weiter. Bald war sie erfolgreich genug, um den Lebensunterhalt für sich und ihre fünf Töchter alleine zu bestreiten.
Nicht ohne Staunen vermerkt ein städtisches Ratsprotokoll wenige Jahre später, dass die Geschäfte nun sogar noch besser liefen als zu Lebzeiten ihres Mannes. Vier Jahrzehnte lang handelte Esther mit Erzeugnissen von Bauern aus der Umgebung, mit Stoffen und Haushaltsgegenständen.
„…dass Sie Jüdin aniezo in besserer Hadtlung alß Ihr Mann gelebet stehe…“
Ratsprotokoll der Stadt Kronach über die Geschäftstüchtigkeit von Esther
Erfolg und Anerkennung
In die wirtschaftlichen Netzwerke von Stadt und Region war die jüdische Kauffrau vollkommen eingebunden. Sie vergab sogar Kredite. Reisen führten sie bis nach Leipzig. Dort war sie 1679 als eine von nur zwölf Jüdinnen registriert, die während der Messe Handel trieben.
Der Erfolg machte sie selbstbewusst: Ihr Wohnhaus stand direkt am Kronacher Marktplatz. 1703 stiftete sie ein silbernes Schmuckobjekt für die Kronacher Synagoge. Damit wollte sie das Andenken an sich und ihren ermordeten Ehemann für die Nachwelt sichern.
Esthers Erfolg ist umso bemerkenswerter, als sie sich sowohl als Frau wie auch als Jüdin gegen viele Widerstände und Vorurteile durchsetzen musste. Dass es ihr gelang, dennoch Ansehen und Einfluss zu gewinnen, zeigt, was für eine starke Persönlichkeit sie gewesen sein muss.
Quellen-und Literaturhinweise
Porzelt, Christian: Esther und ihre Töchter: Geschlechterrollen und Wirtschaftstätigkeit jüdischer Frauen in der Vormoderne. In: Horch, Hans Otto u.a. (Hrsg.): Aschkenas – Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden. 2021-11, Band 31, S. 297 - 324