Gabriele Münter: Die stille Rebellin
Jahrzehntelang blieb die Malerin Gabriele Münter vor allem als Lebensgefährtin des Künstlers Wassily Kandinsky in Erinnerung. Erst seit gut 20 Jahren machen Kunsthistoriker deutlich, welche Rolle sie als Wegbereiterin der Modernen Kunst spielte – in und auch jenseits der Gruppe „Der Blaue Reiter“.


Steckbrief
- Name
- Gabriele Münter
- Geboren
- 1877 in Berlin
- Gestorben
- 1962 in Murnau
- Wichtige Stationen
-
Zeitraum Tätigkeit 1901–1909: Umzug nach München, künstlerische Ausbildung, Reisen, Kauf eines Hauses in Murnau 1907–1912: Gründung der Neuen Künstlervereinigung München und des Künstlernetzwerks „Der Blaue Reiter“ 1949–1955: Teilnahme an internationalen Ausstellungen wie der Biennale in Venedig und der documenta 1 in Kassel - Zeitalter
- Jahrhundertwende
- Wirkungsfeld
- Bildende Kunst
- Frauenort
-
Murnau
Ein ganz und gar unübliches Leben
Gabriele Münter war niemand, der mit lauten Auftritten gegen starre Gegebenheiten protestierte. Dennoch lehnte sie sich dagegen auf und führte auf ihre Art ein Leben voller Unmöglichkeiten. Schon ihr Wunsch, ernsthaft Kunst zu studieren, war für Frauen ihrer Zeit völlig unüblich. Und mit der Beziehung, die sie führte, stellte sie sich selbst gesellschaftlich ins Aus. Denn während ihrer Kunstausbildung verliebte sie sich in ihren elf Jahre älteren Lehrer Wassily Kandinsky, der überdies bereits verheiratet war. Einige Jahre verbrachte das Paar auf Reisen, ab 1908 lebten Gabriele Münter und Wassily Kandinsky öffentlich zusammen: Ein Skandal, der dem Ansehen eines Mannes zu dieser Zeit nicht schadete, dem Ruf einer Frau jedoch sehr wohl.
Gabriele Münter drang aus diesen Gründen – vergeblich – auf Heirat, ließ sich ansonsten aber von ihren Zielen nicht abbringen: Gemeinsam mit Wassily Kandinsky bereitete sie zunächst im gegenseitigen Austausch, dann im Rahmen der Künstlergemeinschaf „Der Blaue Reiter“ der modernen Kunst den Weg.
„Ich war in vieler Augen doch nur eine unnötige Beigabe zu Kandinsky. Dass eine Frau ein ursprüngliches, echtes Talent haben und ein schöpferischer Mensch sein kann, das wird gern vergessen.“
Gabriele Münter, 1926
Die übersehene Pionierin
Wirklich wahrgenommen wird die Bedeutung Gabriele Münters in diesem Prozess allerdings erst seit gut 20 Jahren. Davor hatten andere Details aus dem Lebenslauf der Malerin den Blick auf diese unschätzbare Leistung verstellt. Denn die Liebesgeschichte zwischen ihr und Wassily Kandinsky endete unschön: Der Künstler, der in den 1920er Jahren international Karriere machen sollte, ließ Gabriele Münter in den Wirren des 1. Weltkriegs sitzen.
Daraufhin weigerte sie sich standhaft, sein Frühwerk herauszugeben, das sich noch in ihrem Besitz befand – im Nachhinein wohl ein Glücksfall für die Nachwelt. Denn als die Nationalsozialisten an die Macht kamen und moderne Kunstwerke beschlagnahmten, versteckte sie die Bilder mutig in einem Kellerraum ihres Hauses in Murnau und konnte die unersetzliche Sammlung durch diese dunkeln Jahre retten. 1957, anlässlich ihres 80. Geburtstags, schenkte sie sie dem Münchner Lenbachhaus. Seitdem bilden sie dort den Kern der dortigen Ausstellung über das Wirken des „Blauen Reiters“.
„Meine Sache ist das Sehen, das Malen und Zeichnen, nicht das Reden.“
Gabriele Münter rückblickend über sich selbst
Quellen- und Literaturhinweise
Behr, Shulamith: The dynamics of gendered artistic identity and creativity in Der Blaue Reiter. In: Price, Dorothy (Hrsg.): German Expressionism. „Der Blaue Reiter“ and ist legacies. Manchester, 2020
Ekkelenkamp, Mariëlle: Positioning Gabriele Münter: a woman artist in Der Blaue Reiter. In: Katholieke Universiteit Nijmegen (Hrsg.), Desipientia, Jhrg. 27, Nr. 1 (2020), S. 32 – 37
Jansen, Isabelle (Hrsg.): Gabriele Münter, 1877 – 1962: Malen ohne Umschweife. München, 2017