Helene Böhlau: Die Freimütige

Um ihren Geliebten heiraten zu können, floh Helene Böhlau mit ihm nach Konstantinopel. Später ließ sich das Paar in München und Widdersberg nieder. Für das Familieneinkommen sorgte die ungewöhnliche Schriftstellerin mit ihren Büchern. Manche lösten einen Skandal aus.

Stadtansicht Widdersberg
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Illustration Porträt Helene Böhlau

Steckbrief

Name
Helene Böhlau
Geboren
1856 in Weimar
Gestorben
1940 in Augsburg
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
ab 1873:Bekanntschaft mit dem Privatgelehrten Friedrich Arndt; Flucht nach Konstantinopel und Heirat 1886
ab 1888:Umzug nach München, größte literarische Erfolge
1909 :Kauf eines Landhauses in Widdersberg, das die Schriftstellerin bis zu ihrem Tod bewohnt
Zeitalter
Jahrhundertwende
Wirkungsfeld
Literatur
Frauenort
Widdersberg Kartengrafik mit markiertem Ort Dachau.

Flucht nach Konstantinopel

Um gesellschaftliche Regeln scherte sich Helene Böhlau nie. Als junges Mädchen hätte die Tochter eines Weimarer Verlagsbuchhändlers alles lernen sollen, was eine sittsame Ehefrau braucht. Doch sie setzte sich lieber an ihren Schreibtisch. 1881 erschien ein erster Band mit kurzen Geschichten. Beim Entfalten ihres Talents wurde sie von einem zunächst fast väterlichen Freund bestärkt: dem Privatgelehrten Friedrich Arndt. Oft war die junge Helene Böhlau bei ihm, seiner Frau und seinen vier Kindern zu Gast.

Als dieses Verhältnis in den 1880er Jahren in eine intensive Liebesbeziehung umschlug, war der Skandal vorprogrammiert. Friedrich Arndt, seine Frau und Helene Böhlau erwogen, zu dritt zusammenzuleben. Helene Böhlaus Eltern waren so entsetzt, dass sie die Tochter enterbten. 1886 floh das Liebespaar nach Konstantinopel. Friedrich Arndt trat zum Islam über. Dies ermöglichte es ihm, sich von seiner bisherigen Ehefrau zu trennen und mit seinem neuen Namen Omar al Raschid Bey Helene Böhlau zu heiraten.
 
 

„Sie lernt (…) zerstreut und hat nicht viel Gewalt über sich, (…) ein tüchtiges, wahres Urteil über Menschen und Dinge und (…) ziemlich viel Phantasie und Spielgeist, der für ihre Geschäfte störend ist.“

Helene Böhlaus Mutter Therese Böhlau über die 12jährige Helene

Erfolg als Schriftstellerin 

Der Erfolg einiger Bücher Helene Böhlaus, vor allem die „Ratsmädelgeschichten“, ermöglichte dem Paar einen Neustart in München. 1895 kam Sohn Omar auf die Welt. Gleichzeitig veröffentlichte die Schriftstellerin nun neben reiner Unterhaltungsliteratur auch kritische Romane. Titel wie „Der Rangierbahnhof“ und „Halbtier!“ prangerten die unterdrückte Stellung der Frau in der Gesellschaft an. Dennoch schloss sich Helene Böhlau nie der Frauenbewegung an.

Ab 1900 begann sie ihren Ton zu mäßigen. Ihr Blick konzentrierte sich eher auf ihre innere Entwicklung als auf den Kampf um Gleichberechtigung. Auch der Kauf eines Hauses in Widdersberg steht für diesen Rückzug.  Sie selbst nannte das Haus „das seidene Nest“. Es bot ihr Halt, als Fritz Arndt 1911 starb.

Das Schreiben behielt Helene Böhlau bis ins hohe Alter bei. Noch mit Anfang 80 veröffentlichte sie Erzählungen voller Lebensklugheit und leisem Humor. Dennoch wurde sie vergessen. In den letzten Jahren aber sind einige ihrer besonders kämpferischen Romane in Neuauflagen erschienen.

„Ich möchte arbeiten (…); aber nicht nur, um durch die Arbeit zu vergessen. Ich möchte denken und arbeiten und doch glücklich sein.“

Helene Böhlau im Roman „Herzenswahn“, erschienen 1884

Quellen- und Literaturhinweise

Falk, Helene, Handke, Edith: Helene Böhlau (1856 – 1940): Schreiben als Akt der Befreiung, auf: MonMag – Blog der Monacensia, abgerufen am 9. Februar 2025

Helene Böhlau: Der Rangierbahnhof, vollständige Neuausgabe, Berlin, 2016