Henia Durmashkin: Die Überlebende

Als die Nationalsozialisten in Litauen einmarschierten, war die Karriere der Sängerin Henia Durmashkin zu Ende. Sie wurde verschleppt und landete nach ihrer Befreiung 1945 im Kloster Sankt Ottilien. Mit anderen jüdischen Musikerinnen und Musikern setzte sie dort ein Zeichen, das bis heute unvergessen ist.

Stadtansicht St. Ottilien
iStock/milllim
Illustration Porträt Henia Durmashkin

Steckbrief

Name
Henia Durmashkin
Geboren
1926 in Vilnius/Litauen
Gestorben
2002 in Unbekannt
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1940–1941:Musikstudium am Konservatorium von Vilnius, Mitglied im städtischen Chor von Vilnius
1943–1945:Verschleppung in mehrere Konzentrationslager, darunter Dachau, Befreiung durch US-Soldaten
1945–1948:Mitglied mehrerer jüdischer Orchester u.a. in St. Ottilien, Auftritte u.a. mit Leonard Bernstein
Zeitalter
Nachkriegszeit
Wirkungsfeld
Musik und Theater
Frauenort
St. Ottilien Kartenvorschau St. Ottilien

Ein Zeichen der Freiheit und Menschlichkeit

Auch 80 Jahre später lässt sich schwer in Worte fassen, was am 27. Mai 1945 in St. Ottilien geschah. Noch in den längs gestreiften Anzügen aus den Konzentrationslagern traten acht jüdische Musizierende auf die Bühne. Unter ihnen waren auch zwei Frauen: die Sängerin Henia Durmashkin und ihre Schwester Fania, eine Pianistin. Das Konzert, das sie vor weiteren Überlebenden des NS-Terrors und amerikanischen Besatzungssoldaten gaben, nannten sie „Liberation concert“ – Konzert der Befreiung. Die 19-jährige Henia Durmashkin war so schwach, dass sie sich dabei kaum auf den Beinen halten konnte.

Aufgewachsen war sie als jüngstes Kind einer litauischen Musikerfamilie: Der Vater war als Komponist und Dirigent weithin bekannt. Ihr zwölf Jahre älterer Bruder Wolf trat bereits in seine Fußstapfen. Henia Durmashkin hatte gerade ihre Ausbildung am Konservatorium begonnen, als die deutsche Wehrmacht in Litauen einmarschierte. Alle Juden aus Vilnius mussten in das rasch errichtete Ghetto umziehen.

Unendlicher Schrecken und ein neuer Anfang

Wolf Durmashkin setzte alles daran, auch im Ghetto musikalisches Leben aufrecht zu erhalten. Es wurde sogar ein Chor gegründet, in dem auch Henia Durmashkin sang. 1943 wurde das Ghetto aufgelöst und die Familie auseinandergerissen. Die Schwestern wurden verschleppt und mussten Zwangsarbeit leisten. Zuletzt kamen sie ins Konzentrationslager Dachau. Anfang Mai 1945 wurden Henia und Fania Durmashkin befreit und ins Kloster Sankt Ottilien gebracht, wo Überlebende aufgenommen und im angeschlossenen Krankenhaus behandelt wurden. Nur 21 Tage später standen beide das erste Mal wieder auf der Bühne.

Drei Jahre lang trat das in St. Ottilien entstandene Orchester unter verschiedenen Namen immer wieder auf, zuletzt im Mai 1948 in Überlebenden-Lagern in Landsberg und Feldafing. Dirigent war der schon damals berühmte Leonard Bernstein. Viele Orchestermitglieder wanderten ein Jahr später nach Israel aus. Henia ging mit ihrer Schwester in die USA und setzte dort ihre Karriere als Sängerin fort.

Quellen- und Literaturhinweise

Schönebeck Karla: Musik nach dem Todesmarsch. Ein jüdisches Orchester und seine Liberation Concerts im Nachkriegsdeutschland. Freiburg, 2025