Hildegard Hamm-Brücher: Die Geradlinige
Als Mädchen hatte Hildegard Hamm-Brücher das Grauen des Dritten Reichs erlebt. Ihr weiteres Leben kämpfte sie für ein „Nie wieder“: Als Redakteurin der legendären Neuen Zeitung, als Münchner Stadträtin, als Landtags- und Bundestagsabgeordnete blieb sie ein stets streitbarer politischer Geist.


Steckbrief
- Name
- Hildegard Hamm-Brücher
- Geboren
- 1921 in Essen
- Gestorben
- 2016 in München
- Wichtige Stationen
-
Zeitraum Tätigkeit 1940–1945: Chemiestudium in München, Promotion 1945–1949: Redakteurin bei der zum Zweck der politischen Umerziehung gegründeten „Neuen Zeitung“ 1950–1990: Mitglied des Bayerischen Landtags und des Bundestags - Zeitalter
- Nachkriegszeit
- Wirkungsfeld
- Politik und Medien
- Frauenort
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München
Eine junge Frau kämpft für die Demokratie
Sie gehörte zu jenem seltenen Menschenschlag, der sich treu bleibt, auch wenn dies unbequem wird – für andere oder auch für sich selbst. Schon die junge Hildegard Brücher hatte eine Richtschnur, an der sie sich orientierte: Sie wollte die Geisteshaltung bekämpfen, die Deutschland in den Abgrund des Dritten Reichs geführt hatte.
Bereits mit elf Jahren Vollwaise geworden, wuchs das Mädchen bei seiner jüdischen Großmutter in Dresden auf. Zwischen 1940 und 1945 studierte Hildegard Brücher Chemie in München. Aus der Ferne musste sie miterleben, wie ihre Großmutter aus Angst vor den Konzentrationslagern Selbstmord beging.
Nach dem Krieg ging sie als Wissenschaftsredakteurin zur Neuen Zeitung in München. Dieses Blatt war gegründet worden, um den jungen demokratischen Geist gezielt zu bestärken. In der Redaktion begegnete sie der Amerikanerin Jella Lepman und unterstützte sie bei der Gründung der heute noch existierenden Internationalen Jugendbibliothek.
„Ich empfinde mich als Politikerin der Freiheit nach der Zeit der Unfreiheit, die ich als Kind und als junger Mensch erlebt habe.“
Hildegard Hamm-Brücher in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, zitiert nach ihrem Nachruf im Deutschlandfunk Kultur
Keine Scheu vor politischen Konflikten
Daneben setzte sie sich rasch auch politisch ein: Ab 1948 saß sie für die FDP im Münchner Stadtrat. Zwischen 1950 und 1976 gehörte sie 22 Jahre lang dem Bayerischen Landtag an, ab 1976 dem Bundestag. Wegen ihres klaren Kurses eckte sie immer wieder an. 1982, als die FDP im Bundestag das Regierungsbündnis mit der SPD aufkündigte, um an der Seite der CDU weiter zu regieren, verweigerte Hildegard Hamm-Brücher der Parteiführung die Gefolgschaft. 2002 trat sie aus der FDP aus, weil sich die Parteispitze feindselig gegenüber Israel geäußert hatte.
Ihre vielfältigen gesellschaftspolitischen Ämter – unter anderem im Jüdischen Zentrum München oder beim Verein „Gesicht zeigen!“ gegen Rassismus und Diskriminierung – behielt sie auch hochbetagt bei. Dass sie ab 1956 mit einem CSU-Kommunalpolitiker verheiratet war und einen Sohn und eine Tochter großzog, geht in der Breite dieser politischen Biografie fast unter.
„Jedenfalls ist das politische Gewissen der Frauen (…) generell sensibler, und dies ist unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit und ihrem femininen Selbstverständnis.“
Hildegard Hamm-Brücher in „Der Politiker und sein Gewissen“, 1983
Quellen- und Literaturhinweise
Hildegard Hamm-Brücher: Freiheit ist mehr als ein Wort. Eine Lebensbilanz 1921 – 1996. Köln, 1997