Jella Lepman: Die Brückenbauerin

Als Jüdin musste die zweifache Mutter Jella Lepman aus Deutschland fliehen. 1945 kehrte sie zurück und erkannte die seelische Not vieler Kinder. Sie wollte Abhilfe schaffen – mit Buchklassikern aus aller Welt. Die von ihr gegründete Internationale Kinder- und Jugendbibliothek besteht bis heute.

Stadtansicht München
iStock/Luftaufnahme Bayern
Illustration Porträt Jella Lepman

Steckbrief

Name
Jella Lepman
Geboren
1891 in Stuttgart
Gestorben
1970 in Zürich
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1913–1933:Heirat, Geburt zweier Kinder, erste weibliche Redakteurin des Stuttgarter Tagblatts
1935–1945:Flucht vor dem NS-Regime nach England, journalistische Tätigkeit u.a. für die BBC
1945–1949:Rückkehr nach Deutschland, Einsatz für Kinderliteratur, Gründung der Internationalen Kinder- und Jugendbibliothek in München
Zeitalter
Nachkriegszeit
Wirkungsfeld
Bildung und Erziehung, Literatur
Frauenort
München Kartengrafik mit markiertem Ort München.

Journalistin im Deutschland der Nachkriegsjahre

Durchsetzungsstark muss Jella Lepman schon immer gewesen sein: Als 1922 ihr Mann nach nur neun Ehejahren starb, nahm die Mutter zweier kleiner Kinder ihre Versorgung kurzerhand selbst in die Hand. Dank ihres journalistischen Talents wurde sie die erste weibliche Redakteurin des Stuttgarter Tagblatts. Doch als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, wurde ihr gekündigt, weil sie Jüdin war. 1935 übersiedelte sie mit den inzwischen 14- und 17jährigen Kindern nach England und arbeitete für den dortigen Rundfunk.

1945 kehrte sie als Beraterin des amerikanischen Militärs für Frauen- und Jugendfragen nach Deutschland zurück,1947 zieht sie nach München. Von hier aus arbeiteten die US-Militärs an einer Neuorganisation der deutschen Medienlandschaft und riefen Zeitungen und Zeitschriften ins Leben. Jella Lepman wurde Redakteurin eines Wochenmagazins und lernte dabei den Schriftsteller Erich Kästner kennen. Mit ihm und dessen Lebensgefährtin entwickelte sie die Idee für Erich Kästners Buch „Die Konferenz der Tiere“.

„In Trauben hingen (die Kinder) an unserem Jeep (…). Die Geschichten, die sie erzählten, sachlich und unbewegt (…): Nichts war ihnen verborgen geblieben. Trotzdem waren ihre Augen Kinderaugen geblieben, das war das Wunderbare, kaum zu Fassende.“

Jella Lepman über Begegnungen mit deutschen Kindern nach ihrer Ankunft 1945

Lebenslanger Einsatz für gute Kinderbücher

Ohnehin rückte das Thema Kinderbücher immer stärker ins Zentrum von Jella Lepmans Aufmerksamkeit: Kinder hatten es schwer in dem kriegszerstörten Land. Und abgesehen von ideologisch geprägten Büchern aus der NS-Zeit gab es für sie praktisch nichts, was sie hätten lesen können. Deshalb sammelte Jella Lepman im Ausland gute Kinderbücher, präsentierte diese in einer Wanderausstellung und bemühte sich auch darum, dass viele Titel rasch in deutscher Übersetzung erschienen.

1949 gründete sie auf Basis der Kinderbuchsammlung in einer Villa in München- Schwabing die Internationale Jugendbibliothek. Rasch wurde diese für Kinder zum Zufluchtsort vor einer immer noch schwierigen Wirklichkeit. Auch auf internationaler Ebene verhalf Jella Lepman der Jugendliteratur zu einem nie gekannten Aufschwung.

Bis heute ist die von Jella Lepman gegründete Kinder- und Jugendbibliothek eine Einrichtung von internationalem Rang. Sie zog lediglich 1983, 13 Jahre nach dem Tod der Gründerin, ins idyllische Schloss Blutenburg am Münchner Stadtrand um. 

„Lassen Sie uns bei den Kindern anfangen, um diese gänzlich verwirrte Welt langsam wieder ins Lot zu bringen. Die Kinder werden den Erwachsenen den Weg zeigen.“

Jella Lepman in ihren Lebenserinnerungen „Die Kinderbuch-Brücke“, 1964

Quellen- und Literaturhinweise

Lepman, Jella: Die Kinderbuchbrücke. Frankfurt am Main, 1964

Teibler, Claudia: Münchnerinnen, die lesen, sind gefährlich. München, 2010