Ilse Schneider-Lengyel: Die Rebellische

Sie studierte in den 1920er Jahren moderne Fotografie, arbeitete als Kunsthistorikerin in Paris und lebte nach dem Krieg als Dichterin am Bannwaldsee. Dorthin lud Ilse Schneider-Lengyel 1947 eine Runde von Schriftstellerkollegen und leitete so die Gründung der später berühmten „Gruppe 47“ in die Wege.

Stadtansicht Füssen
iStock/saiko3p
Illustration Porträt Ilse Schneider-Lengyel

Steckbrief

Name
Ilse Schneider-Lengyel
Geboren
1903 in München
Gestorben
1972 in Reichenau
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1923–1927:Ausbildung in Kunstgeschichte, Ethnologie und Fotografie u. a. bei dem Bauhaus-Künstler László Moholy-Nagy
1933–1945:Heirat mit László Lengyel; Flucht nach Paris, Publikation von Fotografien und Bildbänden
1947–1950:Mitglied der „Gruppe 47“, die sich in Ilse Schneider-Lengyels Haus am Bannwaldsee gründet
Zeitalter
Nachkriegszeit
Wirkungsfeld
Bildende Kunst, Literatur
Frauenort
Bannwaldsee bei Füssen Kartenvorschau Bannwaldsee

Zwischen Allgäu und Paris

Idyllisch und abgeschieden liegt der Bannwaldsee zu Füßen der Ammergauer Alpen, unweit von Schloss Neuschwanstein. Dass 1947 in einem kleinen Haus an seinen Ufern Literaturgeschichte geschrieben wurde, ist der Initiative einer ungewöhnlichen Fotografin und Dichterin zu verdanken: Ilse Schneider-Lengyel.

Die Tochter eines Oberforstmeisters hatte das Haus 1946 von ihrem Vater geerbt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die in München aufgewachsene Rebellin die Enge ihres bürgerlichen Elternhauses schon über 20 Jahre hinter sich gelassen. Sie hatte Kunstgeschichte und Ethnologie studiert. Und sie hatte bei László Moholy-Nagy, einem der wichtigsten Neuerer der Fotografie in den 1920er Jahren, den Umgang mit der Kamera gelernt.

Mit ihrem Ehemann, dem ungarischen Architekten und Maler László Lengyel, lebte sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Paris. Dort arbeitete sie als Porträtfotografin und brachte mehrere Bildbände heraus, auch zur außereuropäischen Kunst.

„Frau Schneider, apart und fast zart, wirkt durch ihre Natürlichkeit, ihr völlig unaufdringliches Wesen, ihre Bescheidenheit.“

Die Schriftstellerin Freia von Wühlisch, Teilnehmerin des ersten Treffens der „Gruppe 47“, über Ilse Schneider-Lengyel

Literarische Starthilfe

Nach Kriegsende schrieb Ilse Schneider-Lengyel Artikel und Gedichte. Das brachte sie in Kontakt mit dem Schriftsteller Hans Werner Richter, der in München eine literarische Zeitschrift herausgab. Bei einem Autorentreffen lud Ilse Schneider-Lengyel kurzerhand alle an den Bannwaldsee ein. Dort formierte sich die „Gruppe 47“. Sie wurde mit ihrem Bemühen, die deutsche Literatur nach der NS-Zeit zu erneuern, rasch berühmt.

Ilse Schneider-Lengyel stand bis etwa 1952 in Verbindung mit der „Gruppe 47“ und einzelnen Mitgliedern. Doch ihre Veröffentlichungen blieben rar.

Von ihrem Mann scheint sie sich schon länger getrennt zu haben. Die Ehe wurde 1953 geschieden. Danach verliert sich die Spur jener Frau, die Motorrad fuhr, rot lackierte Nägel trug und auch sonst so gar nicht in die bäuerliche Welt des Ostallgäus passte.

Sie starb 1972 in einer psychiatrischen Klinik am Bodensee. Einem Schriftsteller, einem Literaturwissenschaftler und weiteren Engagierten ist es zu danken, dass ihr Werk seit einigen Jahren der Vergessenheit entrissen wird. 

„Der innere Wesenskern des Menschen ist derselbe an allen Orten und zu allen Zeiten.“

Ilse Schneider-Lengyel in „Die Welt der Maske“, 1934

Quellen- und Literaturhinweise

Braun, Peter: Ilse Schneider-Lengyel. Fotografin, Ethnologin, Dichterin. Göttingen, 2019

Kulturamt der Stadt Füssen (Hrsg.): Ich bin als Rebell geboren. Ilse Schneider-Lengyel – Kunsthistorikerin, Ethnologin, Fotografin und Dichterin. Füssen, 1997

Setzwein, Bernhard: Die George Sand vom Bannwaldsee. Ein Porträt der Ilse Schneider-Lengyel. Manuskript zur Sendung „Bayern – land und Leute“ vom 14. September 1997. München, 1997