Juliane Giovane di Girasole: Die Nachdenkliche

Ihre Ehe führte sie an den Vesuv, ihre Klugheit an den Kaiserhof nach Wien: Die gebürtige Würzburgerin Juliane Giovane di Girasole machte als Gesprächspartnerin deutscher Dichter und Denker von sich reden. Sie veröffentlichte aber auch Schriften zu moralischen Fragen, die noch heute aktuell sind.

Stadtansicht von Würzburg
iStock/Leonid Andronov
Illustration Porträt Juliane Giovane di Girasole

Steckbrief

Name
Juliane Giovane di Girasole
Geboren
1766 in Würzburg
Gestorben
1805 in Ofen
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1783/1784:Beteiligung an der Frauenzeitschrift „Pomona für Teutschlands Töchter“
1786:Heirat mit dem Herzog Nicola Giovane di Girasole, Umzug nach Süditalien
1790:Trennung vom Ehemann, Umzug nach Wien
Zeitalter
Aufklärung & Napoleon
Wirkungsfeld
Literatur
Frauenort
Würzburg Kartengrafik mit markiertem Ort Würzburg.

Ein Leben am Vulkan

Mit ihrer Ehe hatte die gebürtige Würzburgerin, die schon als Kind fließend italienisch sprach, kein Glück. Allerdings war sie den Bund fürs Leben auch in Abwesenheit des Bräutigams, eines italienischen Herzogs eingegangen. Fortan führte sie den Nachnamen Giovane di Girasole, zog nach Neapel und wurde Mutter zweier Kinder. Auch erhielt sie eine Anstellung als Hofdame bei Königin Maria Carolina, einer recht eigensinnigen Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia.

Im Schloss Capodimonte bezog Juliane Giovane di Girasole eine Wohnung, in der sie Johann Wolfgang von Goethe im Juni 1787 empfing. Darüber weiß die Welt deswegen Bescheid, weil Goethe über die Begegnung berichtete. „Ich fand in einem großen und hohen Zimmer, das keine sonderliche Aussicht hatte, eine wohlgestaltete junge Dame von sehr zarter und sittlicher Unterhaltung.“ Als die „junge Dame“ die Fensterläden öffnete, erblickte Goethe das Wunder des aktiven Vulkans Vesuv. 

Moderne moralische Fragen

Was sie Goethe ebenfalls eröffnete, war ein Blick in ihre Leidenschaft des Schreibens. 1793 erschienen in Wien ihre „Gesammelten Schriften“. Dorthin war sie gezogen, nachdem sie die Ehe mit ihrem Mann nicht mehr ausgehalten und die Scheidung erwirkt hatte. In Wien erhielt sie am kaiserlichen Hof eine Stellung als Erzieherin. Dafür eignete sie sich vermutlich besonders, denn sie befasste sich in ihren Schriften mit sittlichen Fragen und der heute noch modernen Überlegung: „Welche dauerhafte (sic!) Mittel gibt es, die Menschen ohne äußerliche Gewalt zum Guten zu führen?“.

Auch anderen war sie als Denkerin aufgefallen und so wurde Juliane Giovane di Girasole Mitglied der Königlichen Wissenschaften und Künste zu Stockholm. Für lange Zeit blieb sie das erste weibliche Mitglied in der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1805 starb die gebildete Dame, die die Welt ein bisschen besser und klüger machen wollte, im heutigen Budapest.

„Die Ursachen, warum die Menschen bey aller äußerlichen Gewalt, sie vom Bösen abzuhalten, dasselbe doch wählen, seyen erstens: irriger Begriff des Sittlichguten; zweytens, Mangel an Erkenntnis, an Überzeugung der wahren Begriffe darüber; drittens Erschwerung der ihnen entsprechenden Handlungen durch äußerliche Verhältnisse.“

Aus der Abhandlung „Welche dauerhafte Mittel gibt es, die Menschen ohne äußerliche Gewalt zum Guten zu führen?“ von Juliane Giovane di Girasole, anonym veröffentlicht 1785

Quellen- und Literaturhinweise

Reitberger, Heiner: Juliane Giovane di Girasole (1766 – 1805). In: Meidinger-Geise, Inge (Hrsg.): Frauengestalten in Franken. Würzburg 1985. S. 124-129

Giovane, Julie Herzogin von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 180 f.

Giovane, Juliane, Herzogin von. In: Damen Conversations Lexikon. Band 4. [o. O.] 1835, S. 435–436 (Digitalisat)