Lotte Branz: Die Furchtlose

Sie schmuggelte während der NS-Zeit nicht nur Nachrichten über die Grenze, sondern auch Juden und andere Verfolgte. Nach dem Krieg gehörte die Politikerin Lotte Branz beim Wiederaufbau der bayerischen SPD zu den führenden Köpfen.

Stadtansicht von Kochel
iStock/saiko3p
Illustration Porträt von Lotte Branz

Steckbrief

Name
Lotte Branz
Geboren
1903 in Regensburg
Gestorben
1948 in Pappenheim
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1926:Eintritt in die SPD
ab 1934:Mitglied der Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“
1948–1968:Mitbegründerin und stellvertretende Vorsitzende der Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel
Zeitalter
NS-Zeit
Wirkungsfeld
Politik und Medien
Frauenort
Kochel Kartengrafik mit markiertem Ort Kochel.

Lebensgefährliche Grenzgänge

Schon früh begann Lotte Branz, sich politisch zu engagieren: Mit 16 schloss sie sich in München der Sozialistischen Arbeiterjugend an. Sie liebte die Gruppentreffen, in denen viel diskutiert, aber auch Theater gespielt wurde. Dort lernte sie ihren Mann kennen: Gottlieb Branz war sieben Jahre älter als sie und arbeitete in der Bibliothek des Gewerkschaftshauses in der Münchner Pestalozzistraße. Das Paar heiratete, 1927 kam Sohn Julian auf die Welt.

1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wurde Gottlieb Branz für mehrere Monate im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Die Führungskräfte der SPD flohen aus Deutschland, zunächst nach Österreich und Böhmen. Um ihnen Nachrichten zu übermitteln, gingen Lotte und Gottlieb Branz mehrfach heimlich über die Grenze. Manchmal machte sich Lotte Branz allein auf den Weg, und half auch Juden und anderen Verfolgten, das Land zu verlassen.

„Sie war eine lebhafte Anfangsdreißigerin mit einem wachen Gesicht, aus dem zwei sprechend-lebendige Augen schauten. Sie begriff schnell und dachte exact.“

Der Schriftsteller Oskar Maria Graf über Lotte Branz in seinem Buch „Gelächter von außen“

Engagierter Neuanfang

1939 wurde Gottlieb Branz erneut verhaftet und bis 1945 im Konzentrationslager Buchenwald gefangen gehalten. Um ihren Sohn nicht zu gefährden, gab Lotte Branz ihre Aktivitäten im Widerstand auf. Obwohl sie nun allein den Lebensunterhalt verdienen musste, lehnte sie die Stellenangebote des Arbeitsamts ab: In einer Rüstungs- oder Munitionsfabrik arbeiten wollte sie nicht. Schließlich fand sie eine Anstellung in einer Gärtnereigenossenschaft, in der sie bis zum Kriegsende blieb. 

Nach Befreiung des Konzentrationslagers kehrte Gottlieb Branz wieder nach München zurück, und sehr bald engagierte sich das Ehepaar erneut politisch. Lotte Branz wurde Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und eine der Gründerinnen der politischen Akademie ihrer Partei am Kochelsee. Bis zu ihrem Tod hielt sie dort Vorträge über den sozialdemokratischen Widerstand während der NS-Zeit. 
 

„Wer war nun Lotte Branz? War sie eine großartige Rednerin? Hat sie Bücher geschrieben? Nein, Lotte Branz war dies alles nicht. Sie hatte Qualitäten, die viel höher zu bewerten sind. Sie hat in der furchtbarsten Zeit unserer deutschen Geschichte einen ungeheuren persönlichen Mut bewiesen und eine Zuverlässigkeit und Treue, die ihres gleichen sucht.“

Inge Gabert, viele Jahre im Vorstand der Bayern-SPD, über Lotte Branz

Quellen- und Literaturhinweise 

Bayerisches Seminar für Politik (Hrsg.): Lotte Branz und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. München, 1993