Eine Rebellin in der Schule
Sie wusste, was die einfachen Leute bewegt. Sie schaute nie weg, wenn Unrecht geschah. Und sie machte aus ihrer Meinung keinen Hehl. Mit ihrem Elternhaus brach Toni Pfülf, weil sie sich zur Lehrerin ausbilden lassen wollte. Während der Jahre, in denen sie in Volksschulen in Oberammergau oder dem ärmlichen Milbertshofen im Norden Münchens arbeitete, lernte sie die Not vieler Familien kennen. Diese Erfahrung prägte später auch ihre politische Arbeit.
Obwohl sie wusste, dass dies ihren Arbeitsplatz gefährdete, trat sie 1908 aus der katholischen Kirche aus und in die SPD ein. Ab diesem Zeitpunkt stritt sie mit den Schulbehörden. 1915 beendete sie den aktiven Dienst wegen einer TBC-Erkrankung.
Als Frauen 1918 das Wahlrecht bekamen, wurde Toni Pfülf verstärkt politisch aktiv. Doch weil sie Fehlverhalten innerhalb der SPD aufdeckte, verlor sie vor der Reichstagswahl 1920 den für sie bestimmten Wahlkreis in München. Stattdessen wurde sie im Wahlkreis Niederbayern / Oberpfalz aufgestellt. Ihr Scheitern schien vorprogrammiert.
„Der Fleiß und die Ausdauer, mit der sie diesen fast rein ländlichen Wahlkreis bearbeitete, waren bewundernswert. Wie sie mit ihrem Antialkoholismus und ihrer Freigeisterei bei dieser katholischen und trinkfesten Bevölkerung zurechtkam, ist nie richtig bekannt geworden.“
Parteigenosse Wilhelm Hoegner über Toni Pfülfs Erfolge in ihrem Wahlkreis Niederbayern / Oberpfalz
Klare Worte gegen die Nationalsozialisten
Doch mit ihrem ehrlichen Engagement eroberte Toni Pfülf die Menschen auf dem Land im Sturm. Sie behielt ihren Sitz im Reichstag bis 1933. Vor allem in der Schulpolitik setzte sie zahlreiche Reformen durch. Besonders kämpfte sie dafür, dass Kinder aus armen Verhältnissen bessere Bildungschancen bekamen. Viele Wahlkampfauftritte, beispielsweise im Weidener Gasthaus „Zur Sonne“ wurden legendär.
Bereits Ende der 1920er Jahre sprach sie sich offen gegen die mächtiger werdenden Nationalsozialisten aus. Deshalb wurde Toni Pfülf bespitzelt und in der Parteizeitung der NSDAP heftig beschimpft. Kurz nach der Machtübernahme 1933 wurde die unerschrockene Politikerin sogar verhaftet. Man warf ihr vor, die Weidener Arbeiterschaft gegen die Nazis aufgehetzt zu haben.
Viele ihrer Parteigenossen hofften dennoch, die SPD könnte sich mit dem Regime Adolf Hitlers verständigen. Toni Pfülf dagegen ahnte die Aussichtslosigkeit der Lage und nahm sich im Juni 1933 das Leben. Ihr Mut aber bleibt bis heute vorbildhaft.
„Wie lange noch der Hitler-Zirkus?“
Thema einer Rede von Toni Pfülf am 22. Januar 1932 in Weiden
Quellen-und Literaturhinweise
Teibler Claudia, Toni Pfülf. In: Die bayerischen Suffragetten. München, 2022, S. 50–54.
Meister, Monika: Das Banner bleibt stehen. Leben und Freitod der Sozialistin Toni Pfülf. Manuskript zur Radiosendung „Land und Leute“ des Bayerischen Rundfunks am 10. Mai 1987