Marielies Schleicher: Die Unverzichtbare

Sie brachte sechs Kinder zur Welt, half ihrem Mann in seiner Arztpraxis und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur treibenden Kraft im Sozialwesen Aschaffenburgs. Marielies Schleicher gründete Schutzvereine, ein Lehrlingsheim für Mädchen und brachte Fraueninteressen auch im Landtag voran.

Stadtansicht von Aschaffenburg
iStock/Fortgens Photography
Illustration Porträt Marielies Schleicher

Steckbrief

Name
Marielies Schleicher
Geboren
1901 in Aschaffenburg
Gestorben
1996 in Aschaffenburg
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1920–1921:Medizinstudium in Bonn und Würzburg
1921–1957:Ehe mit dem Aschaffenburger Hautarzt Adolf Schleicher, Geburt von sechs Kindern
1952–1974:Politische Tätigkeit, zunächst im Stadtrat, ab 1962 im Bayerischen Landtag
Zeitalter
1960er & 1970er Jahre
Wirkungsfeld
Politik und Medien, Soziales
Frauenort
Aschaffenburg Kartenvorschau Aschaffenburg

Medizin, Politik und sechs Kinder

Marielies Schleicher wollte schon als Schülerin etwas bewirken. Die Arzttochter aus Aschaffenburg entschied sich nicht nur dafür, am Gymnasium der Englischen Fräulein in Regensburg Abitur zu machen. Sie fing 1920 auch an, Medizin zu studieren. Beides war für Frauen Anfang der 1920er Jahre alles andere als selbstverständlich.

Als sie im September 1921 den Aschaffenburger Hautarzt Adolf Schleicher heiratete, schlug sie zunächst doch den Weg ein, der für Frauen ihrer Generation typisch war: Sie gab ihr Studium auf, brachte sechs Kinder auf die Welt und half in der Praxis ihres Mannes mit. Bis 1934 und dann wieder ab 1945 engagierte sie sich aber auch in ärztlichen Berufsorganisationen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fing sie zudem an, sich für Frauen und Mädchen einzusetzen. Sie hatten es im von Flüchtlingsströmen und Besatzungstruppen geprägten Nachkriegsdeutschland besonders schwer.

„Viele Frauen hatten nach dem Krieg Bedenken, sich politisch zu engagieren, da ihre Familien (…) von den Erlebnissen der ,Nazizeit‘ so oder so geprägt waren. Meine Mutter wurde gleich nach dem Krieg sozialpolitisch tätig.“

Ursula Schleicher, ebenfalls CSU-Politikerin, über ihre Mutter Marielies Schleicher

Einsatz für Frauen und für soziale Fragen

Marielies Schleicher wurde Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes und des Mädchenschutzvereins. Sie rief eine Arbeitsgemeinschaft der Aschaffenburger Hausfrauenverbände ins Leben und gründete ein Mädchenlehrlingsheim, dem eine Schule für Hauswirtschaft und Sozialpflege angeschlossen war.

Ab 1952 engagierte sie sich auch politisch: Sie wurde Mitglied der CSU-Fraktion im Aschaffenburger Stadtrat und saß von 1962 bis 1974 als Abgeordnete im Bayerische Landtag. Dort setzte sie sich für Frauen-, aber auch für Gesundheitsfragen ein.

Ihre Heimatstadt sorgt seit den 1990er Jahren dafür, dass die große Lebensleistung von Marielies Schleicher nicht in Vergessenheit gerät: Zu ihrem 90. Geburtstag wurde sie 1991 zur ersten Ehrenbürgerin von Aschaffenburg ernannt. Und 1999 gründete der Sozialdienst katholischer Frauen die Marielies-Schleicher-Stiftung, die Kinder, Frauen und Familien in Notlagen unterstützt.