Marlene Wetzel-Hackspacher: Die Waffelbäckerin
Als Vertriebene aus Tschechien musste Marlene Wetzel-Hackspacher völlig neu anfangen. Sie wurde nicht nur Bayerns erste Konditormeisterin. Sie gründete auch eine Fabrik, in der sie eine Spezialität aus ihrer alten Heimat produzierte: Karlsbader Oblaten.


Steckbrief
- Name
- Marlene Wetzel-Hackspacher
- Geboren
- 1922 in Mährisch-Schönberg
- Gestorben
- 2019 in Dillingen
- Wichtige Stationen
-
Zeitraum Tätigkeit ca. 1937–1939: Ausbildung zur Konditorin in einem Café in Marienbad 1946: Vertreibung aus ihrer Heimat, Flucht zu den Eltern ihres inzwischen verstorbenen Mannes nach Schwaben ab 1948: Erste Konditormeisterin Bayerns, Aufbau der Oblatenbäckerei - Zeitalter
- Nachkriegszeit
- Wirkungsfeld
- Gastronomie und Genuss, Unternehmertum
- Frauenort
-
Dillingen
Mit einem Waffeleisen über die Grenze
Als Marlene Wetzel-Hackspacher im Januar 1946 aus ihrer Heimat im heutigen Tschechien vertrieben wurde, hatte sie einen Geistesblitz: Sie versteckte ein 15 Kilo schweres Waffeleisen, mit dem man Karlsbader Oblaten backen konnte, ganz unten im Kinderwagen ihrer einjährigen Tochter. So konnte sie es in den Viehwagon schmuggeln, mit dem sie und viele andere in einer viertägigen Fahrt nach Bayern gebracht wurden.
Die Oblaten, die als typisch für die berühmten Kurbäder Karlsbad und Marienbad galten, waren eine Spezialität des Cafés, in dem Marlene Wetzel-Hackspachers den Beruf der Konditorin erlernt hat. Nun aber musste sie alles Erreichte und jeglichen Besitz hinter sich lassen.
Zum Glück hatte sie in Bayern wenigstens ein Ziel: den nahe Dillingen gelegenen Hof der Eltern ihres damaligen Ehemannes. Kaum dort angekommen, erreichte sie die Nachricht, dass ihr Mann als Soldat in den letzten Kriegstagen gefallen war. Doch eine Witwenrente, von der sie und ihre kleine Tochter hätten leben können, bekam sie nicht.
„Wir haben nicht nur einen Schutzengel gehabt, sondern gleich hundert.“
Marlene Wetzel-Hackspacher über ihre Vertreibung aus dem heutigen Tschechien
Firmengründung mit Widerständen
Mit dem Backen von Waffeln wollte sich Marlene Wetzel-Hackspacher eine neue Existenz aufbauen. Doch überall gab es Skepsis und Hindernisse: Zutaten zum Backen waren in der Nachkriegszeit kaum vorhanden, die Menschen hatten wenig Geld. Obwohl die Frauen in diesen Jahren viel leisteten, wurde ihnen nicht zugetraut, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Und außerdem wäre dafür ein Meisterbrief nötig gewesen.
Marlene Wetzel-Hackspacher ließ sich nicht beirren. 1948 legte sie als erste Frau in Bayern die Meisterprüfung zur Konditorin ab. Zusammen mit ihrem zweiten Mann gründete sie in Dillingen eine Oblatenbäckerei. Das Gebäck, das sie produzierten, musste sie allerdings erst bekannt machen, denn die traditionsreichen, mit Mandeln und Nüssen gefüllten, hauchdünnen Oblaten waren in Deutschland bisher noch so gut wie unbekannt.
Dies ist Marlene Wetzel-Hackspacher mehr als gelungen – die tellergroßen Oblaten mit dem stilisierten Springbrunnen sind heute den meisten ein Begriff. Allerdings würde niemand ihre Quelle in Dillingen vermuten.
„Am Anfang haben wir mit dem Motorrad ausgeliefert. Ich saß auf dem Sozius und hatte in jeder Hand einen Kübel voller Oblaten.“
Marlene Wetzel-Hackspacher in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung über die Anfänge ihrer Firma
Quellen- und Literaturhinweise
Mayr, Stefan: Königin der Oblaten. In: Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 2013, abgerufen am 19.1.2025