Sticken im großen Stil

Auf dem Prunkwagen König Ludwigs II. steht es schwarz auf gold: Die üppigen Stickereien im Inneren der Kutsche, die heute im Marstallmuseum in München steht, haben drei Schwestern geliefert – Mathilde, Dora und Josefine Jörres. Der Anstoß, dass das überhaupt möglich war, ging von der jüngsten aus, von Mathilde Jörres. Genau wie ihre beiden Schwestern schlug sie zunächst die für Mädchen einzig mögliche berufliche Laufbahn ein. Sie wurde Lehrerin. 

Einen gewissen Unternehmergeist müssen alle drei besessen haben. Denn die jungen Frauen gründeten eine private Schule, die jedoch bald wieder geschlossen werden musste.

Von einer Englandreise kehrte Mathilde Jörres mit einer neuen Geschäftsidee zurück. Dank ihrer Lehrerinnenausbildung beherrschten alle drei Schwestern verschiedenste Sticktechniken. Und da die Kirche in Süddeutschland seit Ende der 1850er Jahre verstärkt Wert auf prunkvolle Behänge und Priestergewänder setzte, gab es reichlich Gelegenheit, um mit genau diesen Kenntnissen Geld zu verdienen.
 

„Auf allerhöchsten Befehl seiner Majestät König Ludwig II. von Bayern wurde dieser Wagen … erbaut. …Die Stickereien lieferten die Schwestern Mathilde und Dora und Jos. Jörres; sämtliche Arbeiten wurden in München gefertigt.“

Inschrift am Neuen Gala-Wagen Ludwigs II., heute im Marstall-Museum in München-Nymphenburg, fertiggestellt im Dezember 1871

Königsschlösser und ein Wohnstift 

Dank des Organisationstalents von Mathilde Jörres wuchs ihre in München gegründete „Kunststickereianstalt und Kirchenparamentenfabrik“ rasch. Die Erzeugnisse wurden nach ganz Europa exportiert, der Betrieb beschäftigte bis zu 100 Stickerinnen. Einige von ihnen kamen aus einer Notlage. Mathilde Jörres bildete sie kostenlos aus und versorgte sie mit Wohnraum und Essen.

Anfang der 1870er Jahre kam ein weiterer Auftraggeber hinzu: König Ludwig II. Der Märchenkönig bestellte nicht nur Stickereien für seine Kutsche, sondern auch für seine Schlösser Herrenchiemsee, Linderhof und Neuschwanstein. 

Die ausgezeichnete Geschäftslage machte es Mathilde Jörres möglich, ihr soziales Engagement auszuweiten. Sie kaufte ein ehemaliges Hotel und wandelte es in ein Wohnstift für alleinstehende Frauen um. Den Ausbau dieses Marienstifts trieb Mathilde Jörres bis ins hohe Alter voran. Es existiert an anderem Ort bis heute. Und auch die prachtvollen Stickereien aus ihrem Betrieb lassen die Besucher der Königsschlösser noch immer staunen.

„Viele Hände machten das fast Unmögliche möglich. Der König war derart befriedigt darüber, dass er augenblicklich dem Fräulein Jörres einen aus ungefähr 2000 Rosen bestehenden Strauß durch einen reitenden Boten überbringen ließ.“

Die Schriftstellerin Luise von Kobell in ihrem Buch „König Ludwig II. und die Kunst“, erschienen 1900