Frauen mit Hauben auf dem Kopf sitzen an einem Tisch, auf dem eine Kerze steht. Eine liest aus einem Brief vor, eine andere schreibt.

Das Frauenbild der Epoche der Aufklärung

Die natürliche Aufgabe der Frau lag in der Versorgung von Kindern und Haushalt sowie in der Erheiterung des Ehemanns nach dessen anstrengendem Arbeitstag. Das Bild, das Denker vor 250 Jahren formten, prägte das Frauenbild bis ins 20. Jahrhundert. 

Das Gedankengut der Epoche der Aufklärung 

Die Epoche, die ab etwa 1700 in Europa und den europäisch besiedelten Gebieten Nordamerikas anbrach, hatte die Kraft, jahrhundertealte Ordnungen über Bord zu werfen. Mit der Aufklärung wurden die Gesetze der Vernunft zum Maß aller Dinge. Die Naturwissenschaften wurden herangezogen, um die Welt zu erklären. Sie lieferten auch die Grundlagen zu ersten technischen Erleichterungen, beispielsweise bei der Herstellung von Textilien. Auch die bisherigen gesellschaftlichen Regeln wurden in Frage gestellt: Wer sich allein auf seine Vernunft verließ, begegnete seinen Mitmenschen ohne Vorurteile und erkannte, dass eigentlich alle Menschen die gleichen Rechte haben mussten. Diese Geisteshaltung beflügelte sowohl den Kampf der nordamerikanischen Kolonien um ihre Unabhängigkeit wie auch die Französische Revolution, in der ab 1789 die Bürger die Macht im Staat übernahmen. In dieser Zeit forderten auch erstmals Frauen ihre Rechte ein: Sowohl die Französin Olympe de Gouges wie auch die Engländerin Mary Wollstonecraft setzten sich für die Gleichstellung von Männern und Frauen ein.

Zurücksetzung als Naturgesetz

Durchsetzen konnten sie sich mit solchen Ansätzen nicht. Denn Naturwissenschaftler beschäftigten sich in dieser Zeit auch verstärkt mit dem menschlichen Körperbau und verglichen Männer und Frauen. Und die Erkenntnisse, die sie daraus ableiteten, wiesen in genau die entgegengesetzte Richtung: Männer als das starke, gebende, vernunftbegabte Geschlecht wirkten diesen Thesen gemäß nach außen. Die Aufgabe der schwachen, empfangenden, nur mit einem „Kleinigkeitensinn“ ausgestatteten Frauen dagegen lag allein im häuslichen Bereich, im Umsorgen der Kinder und im heiteren Aufmuntern des Familienvaters. Jean-Jacques Rousseau, ein Vordenker der Französischen Revolution und der kindgerechten Erziehung, hatte in seinen fortschrittlichen Schriften vor allem Jungen im Blick. Mädchen dagegen sollten so früh wie möglich an äußerliche Zwänge und immerwährende häusliche Arbeiten herangeführt werden. Solche Erkenntnisse wurden auch in Deutschland viel gelesen und standen Pate für zahllose Erziehungsratgeber, besonders für Mädchen.

Die höchste Tugend: Fleiß und Häuslichkeit

Denn das deutsche Bürgertum hatte für sich einen anderen Weg als den der Revolution gefunden, um Standesunterschiede zwischen den Gesellschaftsschichten auszugleichen: Neben den Adel von Geburt trat nun ein Adel der Tugend, den sich Bürger durch großen Fleiß und ein moralisch einwandfreies Leben erwerben wollten. Die Voraussetzung dafür lag in einer festgefügten Rollenverteilung: Der Mann arbeitete in seiner geistigen Tätigkeit bis zum Umfallen. Die emsig im Haus tätige Frau hielt ihm von allem Alltäglichen den Rücken frei und bemühte sich in seinen freien Stunden um seine Entspannung. Frauen, die sich bilden, auch nur ein Buch lesen wollten oder gar das Bedürfnis spürten, sich in ihren Talenten selbst zu verwirklichen, hatten in diesem Selbstverständnis keinen Platz. Es hieß sogar, zu starke Hirntätigkeit könne die Fortpflanzungsfähigkeit einer Frau gefährden. Um intensives Denken zu verhindern, wurden Frauen selbst aus gehobenen Schichten von klein auf zur Handarbeit erzogen. Strickzeug und Stickrahmen wurden ihre ständigen Begleiter.  

„Die meisten Fingerarbeiten, womit man das weibliche Quecksilber fixiert, (führen nur dazu, dass) der müßig-gelassene Geist entweder dumpf verrostet oder den Wogen der Phantasie übergeben ist.“

Jean Paul, Levana oder Erziehlehre, 1807

Zum Glück gab es zu jeder Zeit auch Kritiker dieser Sichtweise. Manche, wie der oberfränkische Schriftsteller Jean Paul, äußerten sie öffentlich. Andere behielten ihren Standpunkt zwar für sich, unterstützten aber ihre Töchter, Ehefrauen oder Schwestern bei der Entfaltung ihrer eigenen Talente. Der Vater der Schweinfurter Malerin Margarethe Geiger beispielsweise brachte der Tochter nicht nur die Grundzüge seiner Kunst bei, sondern förderte auch deren weitere Ausbildung. Andere, wie die Schriftstellerin Sophie von La Roche, erkämpften sich selbst ihren Weg zu Bildung, Anerkennung und der Möglichkeit, literarische Texte zu veröffentlichen. Und sie gründeten Salons in ihren eigenen Wohnräumen, um durch die eingeladenen Gäste weiterhin an den gesellschaftlichen Debatten teilhaben zu können. Ganz Unerschrockene, wie Lulu Brentano oder die Kurfürstin Maria Leopoldine, bewiesen sogar, dass sie als kluge Unternehmerinnen in der durch und durch männlich geprägten Welt der Wirtschaft bestehen konnten.  

Zu großen Taten nicht fähig?

Solche Ausnahmeerscheinungen konnten die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft allerdings nicht von ihren Überzeugungen abbringen. Das ganze 19. Jahrhundert über blieb das Bild der schwachen, kleingeistigen und zu großen Taten nicht fähigen Frau prägend. Universitäten und künstlerische Ausbildungsstätten blieben ihr verschlossen. Die Fähigkeit, beispielsweise Bilder mit Motiven nach griechischen Sagen zu malen, Tragödien oder große historische Romane zu schreiben, wurde ihr rundheraus abgesprochen. Frauen, die sich trotzdem daran wagten – etwa die in München lebenden Schriftstellerinnen Elsa Bernstein und Ricarda Huch –, veröffentlichten ihre Werke noch Anfang des 20. Jahrhunderts lieber unter einem männlichen Namen. Zwischen 1900 und 1919 begannen sich zwar Stück für Stück die Bildungswege für Mädchen zu öffnen. Die letzten Spuren eines Denkens, das Frauen eher den häuslichen und familiären Bereich zuschreibt und ihnen immerwährende Emsigkeit verordnet, sind jedoch bis heute nicht völlig verschwunden. 

Museumstipp

Beim nächsten Besuch eines Museums mit Gemälden aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert – oder beim Durchsehen der Online-Sammlungen großer staatlicher Galerien – kann es Spaß machen, sich gezielt jene Porträts vorzunehmen, an denen man sonst gerne vorbeiläuft. Denn sie geben deutlichen Aufschluss über das Familienbild und Rollenverständnis dieser Zeit. Männer sind gern beschäftigt und ermüdet von ihrer geistigen Arbeit dargestellt, Frauen halten meist eine Handarbeit, oder haben sie in Reichweite liegen. Lesen sie, ist im Blick durchs dahinter gezeigte Fenster oft ein Kirchturm zu sehen, als Verweis auf die Sittlichkeit der Lektüre. Ein frühes Beispiel, noch ohne Handarbeit, ist „Die Familie des Bildhauers Roman Anton Boos“ von Johann Georg Edlinger aus dem Münchner Nationalmuseum . Der Vater ist von der Arbeit erschöpft, die ältere Tochter wendet sich ihm besorgt zu, das jüngere Kind reicht ihm einen Apfel. Die Mutter, die die Kinder zu ihm gebracht hat, schaut allerdings nicht zu ihrem Mann, sondern über den Betrachter hinweg in die Ferne – zum Zeichen, dass sie und ihr Mann in völlig verschiedenen geistigen Welten leben. 

Hier geht es zum Münchner Nationalmuseum

Quellen- und Literaturhinweise

Ottomeyer, Hans u.a. (Hrsg.): Biedermeiers Glück und Ende … die gestörte Idylle 1815 – 1848. München, 1987

Westhoff-Krummacher, Hildegard: Als die Frauen noch sanft und engelsgleich waren. Die Sicht der Frau in der Zeit der Aufklärung und des Biedermeier. Münster, 1995

Wurst, Karin A.: Imaginaries of Domesticity and Women’s Work in Germany around 1800. Rochester, N.Y., 2023