Therese Studer: Die „Verbandsmutter“

Aus ärmlichsten Verhältnissen brachte es Therese Studer bis zur Sekretärin des Dachverbands katholischer Arbeiterinnen. Ihr Erfolg auf dieser Position lag nicht nur an ihrem mitreißenden Wesen. Die Verbandssekretärin war selbst 30 Jahre lang Arbeiterin gewesen und wusste genau, wo der Schuh drückt.

Stadtansicht von Kaufbeuren
iStock/FooTToo
Illustration Porträt Therese Studer

Steckbrief

Name
Therese Studer
Geboren
1862 in Senden
Gestorben
1931 in München
Wichtige Stationen
Zeitraum Tätigkeit
1876–1884:Arbeiterin in einer Zündholz- und einer Textilfabrik in der Nähe von Senden
1884–1908:Arbeiterin in einer Spinnerei und Weberei in Kaufbeuren, Wohnsitz in der dortigen Marienanstalt
1908–1915:Sekretärin des katholischen süddeutschen Arbeiterinnenverbands
Zeitalter
Jahrhundertwende
Wirkungsfeld
Politik und Medien, Soziales
Frauenort
Kaufbeuren Kartengrafik mit einem Punkt bei Kaufbeuren.

Heimat unter Gleichgesinnten

Härten im Leben war Therese Studer von klein auf gewohnt. Sie wuchs in einer Not leidenden Familie auf und musste bereits mit acht Jahren vom Frühjahr bis zum Herbst auf einem Bauernhof arbeiten. Nur im Winter durfte sie ins Elternhaus zurückkehren und zur Schule gehen. Mit 14 wurde sie Arbeiterin in einer Zündholzfabrik, mit 22 zog sie nach Kaufbeuren. Dort fand sie nicht nur Arbeit in einer Baumwollspinnerei, sondern zum ersten Mal in ihrem Leben auch ein Zuhause: die „Marienanstalt“, das erste Arbeiterinnen-Wohnheim in ganz Deutschland.

Die 70 Frauen, die dort lebten, empfand sie als Familie. Therese Studer sorgte für gute Stimmung, veranstaltete gesellige Abende und schrieb kleine Theaterstücke. Die wenige Freizeit, die ihr die Arbeit in der Fabrik ließ, nutzte die wissbegierige Frau, um sich weiterzubilden: Sie las Bücher über Volkswirtschaft und das soziale Gefüge, über Länder- und Völkerkunde. In dem Kloster, das die „Marienanstalt“ betrieb, bekam sie zudem Unterricht in Literatur und Geschichte.

„Ich war zufrieden; mehr als das, ich war glücklich – meine Arbeit liebte ich, alle kamen mir gut entgegen (…). Nicht im entferntesten dachte ich an eine Änderung meines Lebens.“

Therese Studer über ihre Zeit in Kaufbeuren

Voller Einsatz für die Interessen der Arbeiterinnen

Bald begann sie, sich für eine Verbesserung der Situation der Arbeiterinnen einzusetzen. Denn für arbeitende Frauen gab es weder Bildungsangebote noch eine Interessenvertretung. Therese Studer gelang es, in Kaufbeuren 1906 einen katholischen Arbeiterinnenverein ins Leben zu rufen – einen von insgesamt nur 40 im Vergleich zu 730 männlichen Vereinen allein im Süddeutschen Raum. Als die Kirche einen Dachverband gründete, um deren Tätigkeit zu stärken und auszuweiten, wurde Therese Studer die Stelle der Verbandssekretärin angetragen. 1908 übernahm sie das Amt. In den folgenden Jahren reiste sie bei Wind und Wetter durchs Land, um die Gründung weiterer Vereine voranzubringen – mit großem Erfolg.

Das ständige Reisen allerdings ruinierte Therese Studers Gesundheit. Nach einer schweren Rheumaerkrankung bestand ihr Vorgesetzter 1916 darauf, dass sie in Pension geht – ein Schritt, der ihr jahrelang schwer zu schaffen machte. 1920 wurde sie immerhin zur ehrenamtlichen Vorsitzenden des Dachverbands gewählt. Diese Position behielt sie bis zu ihrem Tod 1931.

„Temperamentvoll trat sie oft auch ihren Kollegen entgegen, wenn diese, wie sie sagte, ihr ,Prügel vor die Füße zu werfen‘ suchten (…). Dann wurde sie gar heftig und gar manchem hat sie dann ,gründlich heimgeleuchtet‘ und ihnen ,nichts geschenkt‘.“

Die Freundin und Biografin Centa Bentenrieder über Therese Studers Arbeit im Verband der katholischen Arbeiterinnenvereine

Quellen- und Literaturhinweise

Meister Monika: „Nichts für mich, alles für die anderen.“ Therese Studer und die katholischen Arbeiterinnenvereine. Manuskript zur Hörfunksendung „Land und Leute“ des Bayerischen Rundfunks am 17. Januar 1993

Bentenrieder, Centa: Therese Studer. Das Leben einer Arbeiterin. München, 1932