Eine Müllerstochter erobert die Welt der Bierbrauer
Noch heute ist es für eine Frau nicht einfach, sich in der männlich geprägten Welt der großen Münchner Brauereien zu behaupten. Mitte des 19. Jahrhunderts grenzte das sogar an Unmöglichkeit. Und trotzdem beugte sich Therese Wagner 1845, nach dem überraschenden Tod ihres Mannes, nicht dem Druck, der von allen Seiten auf sie ausgeübt wurde. Statt die Geschäfte an ihren kaum 25jährigen Sohn Josef zu übergeben, setzte sie sich selbst an die Spitze des Betriebs.
Als Tochter eines Freisinger Müllers war sie zwar von klein auf daran gewöhnt, mit anzupacken. Zusätzlich hatte sie mit ihrem Mann bereits in ihrer Heimatstadt eine Brauerei geführt und ihn ab 1829 auch im Aus- und Umbau der altehrwürdigen Münchner Augustinerbrauerei unterstützt. Trotzdem traute der Witwe niemand die Führung einer Großbrauerei zu.
Umsicht und Zukunftsvisionen
Therese Wagner belehrte die Zweifler eines Besseren: Sie übernahm den Betrieb mitten im Umbruch vom rein handwerklichen Brauverfahren hin zu einem maschinell gestützten Produktionsprozess. Diese tiefgreifende Umstrukturierung führte sie umsichtig und beherzt zu Ende.
Sie erkannte mit viel Weitblick, wie sich das Münchner Brauereigewerbe weiter entwickeln würde, und welche Möglichkeiten hierfür mit dem Ausbau des bayerischen Eisenbahnnetzes einhergingen. Als sich für Therese Wagner die Möglichkeit bot, ein großes, in unmittelbarer Nähe zur Bahn gelegenes Grundstück zu kaufen, griff sie zu. Zwar erlebte sie den Umzug auf das Betriebsgelände, das die Brauerei bis heute beherbergt, nicht mehr. Doch Therese Wagner legte mit ihrem klugen Schachzug den Grundstein für den Einstieg der Augustinerbrauerei ins Exportgeschäft. Damit sicherte sie ihr die Zukunft und auch ihren späteren Weltruf.
Quellen- und Literaturhinweise
Kunze, Melanie, Stahl, Annika: Münchner Frauen – Historische Lebensbilder aus der Weltstadt mit Herz. Überlingen, 2023.